Der vergangene Samstag stand in Duisburg im Zeichen der Repression gegen die Palästinasolidaritätsbewegung und der öffentlichen Anklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Ein Bündnis aus verschiedenen palästinasolidarischen Gruppen und Einzelpersonen aus Nordrhein-Westfalen hatte, unterstützt vom bundesweiten Kufiya Netzwerk, dem Rechtshilfeverein 3ezwa, der Ortsgruppe der Roten Hilfe sowie dem European Legal Support Center (ELSC) eine Demonstration gegen die deutsche Komplizenschaft für Israels verbrecherische Politik und ein Tribunal gegen die BRD organisiert. An dem Aufzug, dem sich unterwegs immer mehr Leute anschlossen, nahmen hunderte Menschen teil, darunter der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Mirze Edis als parlamentarischer Beobachter. Die Demo zog vom migrantisch geprägten Arbeiterstadtteil Hochfeld in die Duisburger Innenstadt.
Dort begann unmittelbar im Anschluss und mitten auf der Haupteinkaufsstraße der City das gut vierstündige Programm. Auf sieben Podien wurden Betroffene, Aktivisten und Experten zu verschiedenen Kampffeldern antipalästinensischer Repression angehört: Im ersten Panel sprachen der Rechtsanwalt Roland Meister, Lennart Michaelis vom ELSC und ein Vertreter der Gruppe Thawra Hamburg, der für die erkrankte Elisa Baş eingesprungen war, über die Angriffe auf das Versammlungsrecht im Zusammenhang mit Palästina. Anschließend sprach Leon Wystrychowski, selbst Betroffener des Verbots von Palästina Solidarität Duisburg (PSDU), mit Zaid Abdulnasser, dem ehemaligen Deutschland-Koordinator von Samidoun, und Amir Ali von der BDS-Bewegung über die Kriminalisierung von pro-palästinensischen Organisationen. Als Drittes berichteten drei Aktivistinnen aus der Students for Palestine-Bewegung über Repressionen im Hochschulbereich, und anschließend Ahmad Othman, einer der Kläger gegen das PSDU-Verbot, und Melanie Schweizer, die bei der letzten Bundestagswahl für Mera25 angetreten war, über ihre Berufsverbote. Auf die im Zusammenhang mit Palästina stehenden Angriffe auf das Asyl-, Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht gingen Majda Qandil von der Initiative Asylum4GazansNOW! und Inga Matthes, Juristin für Flucht und Asyl, ein. Die palästinensische Journalistin Hebh Jamal und der Aktivist Mahmud Abu Odeh analysierten die Rolle der deutschen Leitmedien beim Völkermord in Gaza. Das letzte Podium drehte sich um proaktive juristische Initiativen: Die Rechtsanwältin Beate Bahnweg berichtete über ihre Klage gegen die deutschen Waffenlieferungen an Israel, und ein Aktivist über seine Arbeit bei der Hind Rajab Foundation, die die Strafverfolgung von an Kriegsverbrechen beteiligten israelischen Soldaten unter anderem in Deutschland voranzutreiben versucht.
An diese Vorträge anschließend formulierten die Betroffenen und Aktivisten symbolische Anklagen gegen die BRD und ihre Institutionen wegen zahlreicher Verstöße gegen das Völkerrecht, gegen die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Wissenschaftsfreiheit sowie gegen das Asylrecht und das Gleichheitsgebot. Den Leitmedien wurden Rassismus und die systematische Entmenschlichung von Palästinensern angelastet. Außerdem klagten Jules El-Khatib und Iman Abu El Qomsan, die seit dem 8. Oktober 2023 gemeinsam bereits mehr als 100 Verwandte in Gaza verloren haben, die Ampel- und die schwarz-rote Bundesregierung für ihre Beihilfe zum Völkermord und Araz Ardehali die BRD für ihre Komplizenschaft bei Israels Angriffskrieg auf den Iran an. Ronnie Barkan, Nachkomme von Auschwitz-Überlebenden und Aktivist der Gruppe Palestine Action, die diese Woche voraussichtlich auf die britische „Terrorliste“ gesetzt wird, warf Deutschland vor, mit seiner Unterstützung des Gaza-Genozids in der Tradition des Völkermords an den Herero und Nama und des Holocaust zu stehen. Inge Ketzer von der VVN-BdA erinnerte schließlich an den Schwur von Buchenwald, der fordert: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!“
Polizeiwillkür und mediale Hetze
Passend zum Thema wartete die Duisburger Polizei mit verschiedenen Repressalien auf. Anders als ursprünglich vorgesehen, verbot sie die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ per Auflage. Das „Argument“: Weil das Komitee gegen das PSDU-Verbot die Demo mitorganisiere, bestehe eine Verbindung zu PSDU. Das ist insofern keine Begründung, als die Parole vom Bundesinnenministerium zwar als angebliches „Hamas“- und „Samidoun-Symbol“, aber vom nordrhein-westfälischen Innenministerium nicht als „PSDU-Symbol“ deklariert wurde. Zudem verbot die Polizei kurz nach Beginn der Demo den Ausruf „Yalla Intifada“ und drohte sogar mit der Auflösung des Aufzugs, noch bevor der loslaufen konnte. Sie tat das, obwohl ihr bewusst war, dass die Parole sowohl laut Landgericht Duisburg als auch laut Verwaltungsgericht Düsseldorf legal ist. Nachdem die Demo etwa ein Drittel der Strecke zurückgelegt hatte und von den Teilnehmern wie der Leitung vehement gegen das Verbot protestiert wurde, nahm die Polizei diese Auflage plötzlich zurück. Dafür nahm sie bald darauf einen Demonstrationsteilnehmer kurzzeitig fest, weil er eine Fahne mit dem Logo der Gruppe Thawra Hamburg trug, auf der eine Faust in den Farben Palästinas zu sehen ist. Obwohl es auch diesbezüglich bereits mehrere Gerichtsurteile gegeben hat, denen zufolge es sich „ganz offenkundig“ nicht um das Logo der gemeinsam mit Samidoun verbotenen Hirak-Jugendbewegung handelt, sah die Polizei angeblich den Anfangsverdacht einer Straftat. Nachdem es danach stundenlang keinerlei Zwischenfälle gegeben hatte, begann die Polizei gegen Ende des Tribunals plötzlich, Druck zu machen: Obwohl die Versammlung bis 22 Uhr angemeldet war, verlangte sie, dass diese um spätestens 20:30 Uhr beendet sein müsse. Scheinbar war die Einsatzleitung der Meinung, ihr „wohlverdienter Feierabend“ stehe über dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Ein anschauliches Beispiel für die antipalästinensische Obsession deutscher Medien lieferte ein Team von ARD/RBB, das offenbar allein wegen der Teilnahme von Zaid Abdulnasser nach Duisburg gereist war. Der Journalist und seine Technikcrew „recherchierten“ nach eigenen Angaben für einen Beitrag von „Kontraste“. Dabei wird es, wie aus den provokanten und penetranten Fragen des Reporters hervorgeht, wohl um einen Hetzbeitrag gehen, der vor allem die internationale palästinensische Exil-Initiative Masar al-Badil in den Fokus nimmt. In Übelster „Bild“- und „Spiegel-TV“-Manier ignorierte das Team immer wieder die Grenzen von Teilnehmern der Demo und des Tribunals, filmte Personen gegen deren erklärten Willen mit Nahaufnahmen und Handys ab und rempelte sogar Kleinkinder um. Der für seine Islamfeindlichkeit und seinen eliminatorischen anti-palästinensischen Rassismus bekannte Online-Blog „Ruhrbarone“ war ebenfalls vor Ort. „Ruhrbarone“ hatte 2018 auf Facebook den Slogan „Transform Gaza to Garzweiler“ gepostet. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, nannte den Post eine „explizite Vernichtungsfantasie“. Ansonsten wurde die hochkarätig besetzte Veranstaltung mitten in der Duisburger Innenstadt von den Mainstream-Medien konsequent ignoriert.
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