Auch Trump schickt mehr Truppen an den Hindukusch

Sieg der Kriegspartei

Von Klaus Wagener

Nun also doch. Neue Truppen für einen verlorenen Krieg. Seit 16 Jahren versucht das Imperium Freiheit und Demokratie und nicht zu vergessen die Emanzipation der Frau an den Hindukusch zu bomben. Und hat nebenbei auch ausgesprochen erfolgreich ein Konjunkturprogramm für die unter den Taliban so notleidende Schlafmohn-Landwirtschaft aufgelegt. Die Bundeswehr macht dabei nach Kräften mit, hat heldenhaft Deutschland verteidigt, Brunnen gebohrt, Mädchenschulen gebaut und afghanischen Polizisten gezeigt, wie ordentlicher Straßenverkehr funktioniert. Und hat nebenbei auch mal einen Tanklastwagen und 150 Zivilisten in die Luft gesprengt. Sprengen lassen, um korrekt zu sein.

Donald Trump war mit dem Versprechen angetreten, nun müsse auch mal gut sein, Billionen Dollar und tausende tote GI’s, man könne ein totes Pferd ja nicht ewig reiten. Einfach zu teuer.

Doch, doch, man kann. Seine Berater hätten ihn davon überzeugt, dass es geht, sagte Trump am Montagabend auf dem Armeestützpunkt Fort Myer. Man müsse ein „ehrenhaftes und nachhaltiges Ergebnis“ in der Region erreichen. Ein hastiger Rückzug könne zu einem Vakuum führen, das dann von Terroristen genutzt würde. Was mit 140 000 Soldaten und der massierten US-Kriegsmaschine nicht gelang, soll nun etwa 4 000 Frauen und Männern gelingen, die, wie das Pentagon vorgeschlagen hat, die US-Truppenstärke in Afghanistan auf dann offiziell 12 400 erhöhen soll. Die überzeugenden Argumente hätte man doch gern einmal gehört, welche die Generäle McMaster, Mattis, Kelly und Dunford ihm da ins Ohr geflüstert haben. Die Anti-Interventionisten im Kabinett sind ja längst der Russenwahnkampagne zum Opfer gefallen. Schon Barack Obama wollte aus Afghanistan aussteigen. Wie vieles andere vergeblich. Nun ereilt auch Donald Trump das gleiche Schicksal. Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass hierzulande – es ist Wahlkampf – keine der arrivierten Parteien so etwas Tollkühnes wie einen Truppenabzug überhaupt in Erwägung zieht.

Geostrategisch betrachtet hat sich an der herausgehobenen Bedeutung Afghanistans nichts geändert. Seit dem „Great Game“, dem Kampf der Großmächte Russland und Großbritannien im 19. Jahrhundert um die Vorherrschaft in Zentralasien, hat das Erdölzeitalter die Bedeutung der Region noch bedeutend gesteigert. Zentralasien galt schon den alten Geostrategen wie Halford Mackinder und erst recht seinen Adepten wie Zbigniew Brzezinski als der Schlüssel zur Weltherrschaft. Zentralasien spielt nicht von ungefähr eine herausgehobene Rolle in den Planungen der VR China für eine infrastrukturelle Erschließung Eurasiens, bekannt unter dem Label „Neue Seidenstraße“, oder „One Belt, one Road“ (OBOR). Mit der Vertreibung von ISIS, Al-Nusra und den anderen Dschihadisten aus Syrien und Iran hat Afghanistan große Chancen, wieder stärker in den Fokus der Golfstaat-finanzierten Halsabschneidertruppen zu geraten. Diese Konstellation könnte sich in der ohnehin nicht gerade konfliktarmen Region als unangenehmes Hindernis für OBOR erweisen.

Es ist daher wohl nicht überinterpretiert, die aktuelle Entscheidung auch in einem Kontext mit den Containment-Bemühungen des Imperiums gegen Russland und China zu sehen. Je zahlreicher und größer die Konflikte, desto schwieriger werden Handel, Entwicklung und infrastrukturelle Aufbauprojekte und umso mehr wird in Rüstung investiert. So dürften auch die Konflikte auf der koreanischen Halbinsel und, auf der anderen Seite, in der Ukraine einen ähnlichen Hintergrund haben. Mit dem Marshallplan ging die Zeit der sozialintegrativen Projekte des Imperiums, die Dekoration des Schaufensters in Richtung der armen Brüder und Schwestern, zu Ende. Was bleibt ist Krieg, Flucht und Zerstörung. Afghanistan hat, wie kaum ein anderes Land, seit einem halben Menschenalter erlebt, wie ein „ehrenhaftes und nachhaltiges Ergebnis“ aus Sicht der Betroffenen aussieht. Ein Ende des Schreckens ist auch mit Trump nicht in Sicht.

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"Sieg der Kriegspartei", UZ vom 25. August 2017



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