Am 20. November 1945 wurde der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof eröffnet. Ankläger waren die vier Alliierten Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und die USA. Die Anklagen gegen die führenden Faschisten lauteten auf Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit. 19 der 24 Angeklagten wurden 1946 schuldig gesprochen, zwölf wurden zum Tode, die übrigen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Das NSDAP-Führerkorps, die Gestapo, der SD und die SS wurden zu verbrecherischen Organisationen erklärt.
Dieser Prozess war der erste und einzige der 13 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Der von den USA und Großbritannien begonnene Kalte Krieg gegen die Sowjetunion verhinderte die Fortsetzung der gemeinsamen Verfahren. Die Besatzungsmächte führten die Prozesse nun jeweils allein durch. Ihre Zahl wird auf mehrere Tausend mit über 50.000 Verurteilten geschätzt. Weitere Prozesse fanden unter anderem vor dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten 1946 bis 1948 in Japan statt. Anfang der 1950er Jahre übertrugen die Besatzungsmächte in Deutschland die Strafverfolgung beiden deutschen Staaten. Diese waren nun gemäß Potsdamer Abkommen eigenverantwortlich für die Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen.
Die DDR begann konsequent mit der Umsetzung. Die Bundesrepublik unter Adenauer betrachtete sich seit Gründung als Fortsetzung des Deutschen Reichs. Sie rüstete auf, erhob revanchistische Forderungen und verhinderte mit Unterstützung der Westmächte ein einheitliches neutrales Deutschland. Für seine antikommunistische Politik brauchte Adenauer die „Fachkunde“ des Faschismus. Somit betrieb die BRD die Entnazifizierung und Verfolgung nur halbherzig bis gar nicht. Massenmörder und Kriegsverbrecher bekleideten höchste staatliche Ämter. Das „Braunbuch“ der DDR entlarvt mit über 1.800 Fällen diese braune Politik. Den Zustand charakterisierte der Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der mutig den Auschwitz-Prozess initiierte, treffend mit den Worten, dass er sich in einem „feindlichen Umfeld“ wähnte.
Die DDR verfolgte die Täter bis zum Ende ihrer Existenz. Herausragend der Prozess gegen den abwesenden Kanzleramtsminister der BRD, Hans Globke, einen Judenmörder. Allein die Zahl der Verurteilten in Ost und West belegt den Unterschied: Von der BRD wurden etwa 7.000 Täter bestraft, in der DDR nahezu 13.000. Obwohl die Bevölkerung der DDR geringer und viele Täter nach dem Westen geflohen waren. Die Konsequenz von „Nürnberg“ war in der alten Bundesrepublik mit Unterstützung der Westmächte schnell Geschichte. Die Haupttäter hatte man bis zum Lebensende mit juristischen Konstrukten wie der Verjährung geschützt und sogar mit hohen Pensionen belohnt. Das blieb nicht ohne Folgen: Die aktuelle Kriegspropaganda und Kriegsvorbereitung gegen Russland ist das Gegenteil der Lehren aus „Nürnberg“.
Die DDR hat die Konsequenz des „Nürnberger Prozesses“ in Politik und Rechtsprechung umgesetzt. Ihr ging es, wie in Nürnberg, um Gerechtigkeit: die Würde der Opfer und die Abrechnung mit den Tätern. Zur Verschleierung ihrer eigenen Untätigkeit sind Antifaschismus und Verfolgung von NS-Tätern in der DDR bis heute Gegenstand perfider Geschichtsfälschung bundesdeutscher Politik. Der Amsterdamer Professor Christiaan Frederik Rüter hat nach akribischer Untersuchung den Unterschied deutlich benannt. Nach seinem Urteil war die Rechtspraxis beider Staaten bestimmt vom „Unsere-Leute-Prinzip“. In der DDR waren „unsere Leute“ nicht die Nazis, sondern deren Opfer.
Unser Autor war Stellvertretender Generalstaatsanwalt der DDR


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