Israel überfällt den Iran – Westen wertet Angriffskrieg als „Selbstverteidigung“

Terror gegen Teheran

In den frühen Morgenstunden des letzten Freitag hat Israel einen Krieg gegen den Iran begonnen. In den ersten drei Tagen starben durch die israelischen Angriffe 224 Menschen im Iran – 90 Prozent von ihnen Zivilisten. Durch iranische Gegenwehr starben nach israelischen Angaben im gleichen Zeitraum 24 Menschen.

Israels Begründung lautete mal wieder „Selbstverteidigung“. Nach israelischen Behauptungen sei der Iran kurz davor, Atombomben zu bauen. Beweise dafür legte Israel nicht vor. Die Behauptung erinnert an die irakischen „Massenvernichtungswaffen“, die zur Rechtfertigung für den Krieg der USA gegen das Land herhalten mussten – aber nie gefunden wurden.

Die Schäden an den iranischen Atom­anlagen beschränken sich nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) auf Einzelteile. Die Zentrifugen zur Urananreicherung in der Atomanlage in Natanz seien „wahrscheinlich schwer beschädigt oder zerstört“, so der Chef der IAEO, Rafael Grossi. Grund dafür: Stromausfall, die Anlage liegt unterirdisch und ist für israelische Bomben nicht zu erreichen.

Zu erreichen war für Israel dafür einiges andere: Wohngebiete, Wissenschaftler, Journalisten. Am Montag bombardierte Israel den Sender „Islamic Republic of Iran Broadcasting“ (IRIB). Mitten in einer Liveübertragung. Ein Unfall? Mitnichten. Israel habe „die für Propaganda und Hetze zuständige Rundfunkanstalt des iranischen Regimes“ angegriffen, rühmt sich der israelische „Verteidigungs“minister Israel Katz auf X. Zuvor drohte er den Zivilisten im Iran: Teherans Einwohner würden „den Preis für die Diktatur zahlen“.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die Bevölkerung auf, Teheran zu verlassen. Das echote auch der US-amerikanische Präsident Donald Trump auf seiner Plattform „Truth Social“: „Jeder sollte Teheran sofort verlassen.“ Wie die Einwohner der Stadt fliehen sollen, behielten die beiden Kriegstreiber für sich. Bereits seit Samstag sind die Ausfallstraßen aus Teheran Berichten zufolge hoffnungslos verstopft. In der iranischen Hauptstadt leben ungefähr neun Millionen Menschen, im Großraum Teheran ungefähr 15 Millionen.

Der in Kanada tagende G-7-Gipfel veröffentlichte am Dienstag eine gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs, in der sie betonten, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen – dabei modelten sie den Angriffskrieg kurzerhand zu einer „Iran-Krise“ um: „Wir fordern, dass die Lösung der Iran-Krise zu einer umfassenderen Deeskalation der Feindseligkeiten im Nahen Osten führt, einschließlich eines Waffenstillstands im Gazastreifen.“ Woher der Waffenstillstand in Gaza kommen soll, wenn Israel unter dem Deckmantel der „Selbstverteidigung“ noch jede Gräueltat zugebilligt wird, erklärten sie nicht.

Auch in der deutschen Politik erzählt man die gleichen Propagandamärchen. Für den „Bericht aus Berlin“ hatte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) extra ein neues Wort gelernt: „Israel habe jedes Recht, sich zu verteidigen – auch präemptiv“, rechtfertigte er den Angriffskrieg Israels. Das Land müsse selbst entscheiden, „in welche Richtung ein solcher Konflikt gelenkt wird“. Ins gleiche Horn stoßen Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU). Das Auswärtige Amt verkündete auf X, man verurteile den „unterschiedslosen Angriff auf israelisches Staatsgebiet aufs Schärfste“. Dem Auswärtigen Amt sprang pflichtbewusst Andreas Büttner von der Linkspartei bei, seines Zeichens Antisemitismusbeauftragter in Brandenburg: „Israel hat übrigens gezielt militärische Ziele angegriffen. Die Mullahs greifen gezielt zivile Ziele an. So viel dazu.“ Vielleicht kann er bei Gelegenheit mal erklären, was Fernsehsender und Wohnhäuser zu militärischen Zielen macht. In Tel Aviv befinden sich sowohl die Iron-Dome-Abschussstellen als auch das Hauptquartier des israelischen Militärs mitten in Wohnvierteln. Aber von der Schutzschildfunktion israelischer Zivilisten schweigt man lieber. Ist wahrscheinlich auch „Selbstverteidigung“.

Den Sinn des ganzen Redens von der „Selbstverteidigung“ fasste Roderich Kiesewetter (CDU) zusammen: „Israel leistet den Job, den eigentlich die UN oder der Westen machen müsste.“ Die UN ist zwar nicht dafür zuständig, geopolitische Wünsche des Westens durchzusetzen, aber das interessiert Kiesewetter genauso wenig wie internationales Recht.

Mit der bedingungslosen Unterstützung für den israelischen Angriffskrieg auf den Iran, auf Zivilisten, Wissenschaftler und Journalisten, hat der Westen einmal mehr klargestellt: Für ihn war Völkerrecht gestern. Heute setzt man unverblümt auf „wertebasierte“ Geopolitik.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Terror gegen Teheran", UZ vom 20. Juni 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit