Die nepalesische Regierung muss zwischen inneren und äußeren Mächten einen Ausgleich finden

Über Stabilität zum Wohlstand?

Von Lars Mörking

Nepal sei eingepfercht zwischen zwei asiatischen Giganten, so beschreibt die „South China Morning Post“ die Situation, in der sich die Regierung unter Premierminister Khadga Prasad Oli befindet. Doch Oli hat seit Mai dieses Jahres, als seine Partei der Vereinigten Marxisten-Leninisten sich mit dem Maoistischen Zentrum zur Kommunistischen Partei vereinte, eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament im Rücken. Diese neue politische Stabilität und die Konkurrenz der zwei Nachbar-Giganten China und Indien will die nepalesische Regierung nutzen, um den Wiederaufbau des Landes nach den heftigen Erdbeben 2015 zu beschleunigen.

Von sozialer Stabilität ist das Land allerdings weit entfernt – ein Fünftel der Bevölkerung lebt unter der nationalen Armutsgrenze. Beinahe ein Drittel der Wirtschaftskraft des Landes hängt von den Überweisungen der 5 Millionen Nepalesen ab, die im Ausland arbeiten – meist in den Golfstaaten oder in Indien. Diese Abwanderung gerade qualifizierter Arbeitskräfte ist ein Problem, sie fehlen beim Wiederaufbau des Landes. Eine Maßnahme, um Arbeitskräfte im Land zu halten, war die kürzlich erfolgte Erhöhung des Mindestlohns um 40 Prozent auf 13 450 Rupien (etwas über 100 Euro) pro Monat. Einen Konflikt mit den Gewerkschaften konnte die Regierung dadurch nicht vermeiden, wie die Tageszeitung „junge Welt“ berichtete. Sie fordern einen Mindestlohn von mindestens 15 000 Rupien.

Umso wichtiger scheint, dass die neue kommunistische Allianz hält. An der Seite Olis steht mit Pushpa Kamal Dahal ein ehemaliger Anführer der maoistischen Rebellen. Oli und Dahal führen die neue kommunistische Partei gemeinsam. Dahal rief Kader kleinerer kommunistischer Parteien kürzlich dazu auf, sich ihnen anzuschließen. Zumindest bei Netra Bikram Chand, Vorsitzender einer Gruppierung, die sich Kommunistische Partei Nepals nennt, scheint dieser Aufruf nicht auf Gegenliebe zu stoßen. Chand rief letzte Woche zu einem landesweiten Generalstreik auf, nachdem ein Sprecher seiner Partei wegen Erpressung verhaftet worden war. Berichte der „Kathmandu Post“ legen nahe, dass Anfang der Woche weitere Angehörige der Chand-Partei im Zusammenhang mit einem versuchten Bombenanschlag verhaftet wurden. Solche Angriffe und Spaltungsversuche von Ex-Genossen könnten der neuen kommunistischen Partei ebenso gefährlich werden wie Sezessionsbestrebungen politischer Gruppierungen im südlichen Tiefland.

„Wohlstand und Stabilität“ haben sich die regierenden Kommunisten auf ihre Fahnen geschrieben. Das scheint in der Bevölkerung auf Zustimmung zu stoßen, die genug hat von ständig wechselnden Koalitionen. Seit der Beseitigung der Monarchie, die vor allem durch den zehn Jahre dauernden bewaffneten Kampf maoistischer Rebellen in die Knie gezwungen wurde, gab es einen langen und zähen Prozess der Verfassungsgebung. Khadga Prasad Oli ist bereits der elfte Premierminister seit 2008.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Über Stabilität zum Wohlstand?", UZ vom 17. August 2018



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