Kommunen in NRW müssen auch zukünftig für die Kosten der Inklusion aufkommen

Verfassungsbeschwerde abgelehnt

Von Klaus Stein

52 Städte und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen klagten gegen das Inklusionsgesetz, weil es das Konnexitätsprinzip verletze. Also gegen das Prinzip, nach dem die Musik bezahlt, wer sie bestellt hat. Die Klage hatte die Gestalt einer Verfassungsbeschwerde gegen das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem die inklusive Bildung in allgemeinen Schulen als Regelfall im Oktober 2013 eingeführt worden ist. Die Kommunen scheiterten. Der NRW-Verfassungsgerichtshof verwarf am 10. Januar ihre Beschwerde.

Sie hatten geltend zu machen versucht, dass das Land die verfassungsrechtlichen Vorgaben für einen Belastungsausgleich nicht beachtet habe. Tatsächlich bewirkt das Inklusionsgesetz einen Spareffekt im Landeshaushalt, den die Kommunen zum Teil ausgleichen müssen. Denn in dem Maße, in dem behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, kann das Land auf teure Förderschulen verzichten. Teuer sind sie vor allem durch den höheren Personalaufwand mit speziell ausgebildeten Lehrern für Sonderpädagogik. Die allgemeinen Schulen müssen mit weniger Personal auskommen.

Nun ist zwar das Land Arbeitgeber der Lehrerinnen und Lehrer, unabhängig von der Schulform, aber die Beschulung von behinderten Kindern erfordert weitere Maßnahmen, für die die Kommunen als Schulträger aufkommen müssen. Es geht um fällige Umbauten, etwa Rampen für Rollstühle. Auch die Bezahlung von Hilfskräften wird den Kommunen überlassen. Folgerichtig hat der Landtag im Prinzip diese Inklusionsfolgekosten anerkannt und ins „Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion“ geschrieben. Dieses Gesetz sieht einen Belastungsausgleich von 25 Millionen Euro und eine jährliche Inklusionspauschale von 10 Millionen Euro vor.

Diese Beträge lassen indes Kosten unberücksichtigt, zumal solche für höheren Raumbedarf auf Grund geringerer Klassenfrequenzen. Überhaupt schätzte der Städte- und Gemeindebund NRW, Vertretungsorgan der NRW-Kommunen, die kommunalen Inklusionskosten weit höher ein. Er zog die Konsequenz, den Streit über offene Fragen im Zusammenhang mit den Kosten der schulischen Inklusion durch den Verfassungsgerichtshof NRW klären lassen. Die Kostenschätzung der Kommunen stützt sich auf eine Untersuchung vom Juni 2013. Danach würden die Investitionskosten allein der Stadt Essen für den Umbau und die Ausstattung der erforderlichen Klassen- und Differenzierungsräume, der Fach- und Therapieräume sowie für die Herstellung von barrierefreien Zugängen zu den Schulgebäuden bis zum Schuljahr 2019/20 auf mindestens 18 Millionen Euro belaufen. Diese Summe sei als Untergrenze zu interpretieren, da weiterhin große Klassen mit bis zu 30 Schülern gebildet werden können.

Schulministerin Sylvia Löhrmann vertrat demgegenüber die Meinung, dass das 9. Schulrechtsänderungsgesetz den Kommunen mit der Inklusion keine neuen Aufgaben übertrage. Infolgedessen entstünden keinerlei Kosten, die das Land zu erstatten hätte.

Der Verfassungsgerichtshof wich einer Entscheidung in der Sache aus. „Die Regelungen zum Ausgleich der die Kommunen aufgrund des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes treffenden finanziellen Belastungen enthalten aber nicht das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, sondern ein anderes Gesetz, das Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion (Inklusionsaufwendungsgesetz). Dieses haben die Beschwerdeführerinnen nicht angegriffen.“

Die Klage sei unzulässig, weil sie sich gegen das falsche Gesetz richte.

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"Verfassungsbeschwerde abgelehnt", UZ vom 20. Januar 2017



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