Die Vermögensteuer ist eine bundesgesetzlich geregelte Landessteuer. Nach wie vor existiert ein nie abgeschafftes Bundesgesetz (Vermögensteuergesetz). Weil eine Vermögensart („Grundvermögen“) erheblich unter dem am Markt- beziehungsweise Verkehrswert zu realisierenden Wert angesetzt wurde, stellte das Bundesverfassungsgericht 1995 einen Verstoß gegen den „Gleichbehandlungsgrundsatz“ und damit Verfassungswidrigkeit fest, weil die anderen Vermögenswerte mit realen Werten berücksichtigt wurden. Weil das Bundesgesetz seitdem nicht verfassungskonform ausgestaltet wurde, wird durch den Gesetzgeber seit 1997 die Vermögensteuer ... Bitte hier anmelden
nicht mehr erhoben. Das ist glatter Verfassungsbruch und eine „stille“ Subvention der wirklich Reichen jährlich in Höhe von zig Milliarden Euro. Damit fehlen den Bundesländern riesige Beträge für Bildung und soziale Infrastruktur. Die Unterfinanzierung der öffentlichen Daseinsfürsorge befördert den Rechtsruck. Die grundgesetzlich gebotene „Wiedererhebung der Vermögensteuer“ ist nur gegen den härtesten Widerstand der wirklich Reichen mit einem Sozialbündnis der nichtbegünstigten Vielen und ihren Organisationen (Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen, Sozialstaatsparteien etc.) durchsetzbar.
1. Steuergerechtigkeit und Gleichbehandlung
Die Bundesrepublik Deutschland ist verfassungsrechtlich als „Sozialstaat“ durch das Grundgesetz bestimmt worden. Die sozialstaatliche Ordnung ist durch die Artikel 20 und 28 Grundgesetz festgelegt und über Artikel 79 Grundgesetz mit einer „Ewigkeitsgarantie“ versehen worden. Deshalb ist in Deutschland jede (!) Person entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Dieses Leistungsfähigkeitsprinzip bezieht sich auf Einkommen und Vermögen. Vermögen erhöht die Fähigkeit, Steuern zu tragen. Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt. Große Vermögen werden aber kaum oder gar nicht besteuert. Das ist grundgesetzwidrig. Die Vermögensteuer ist über Artikel 106 Grundgesetz geregelt; in der Hessischen Verfassung Artikel 47 ist sie sogar als eine „progressiv“ gestaltete Vermögensteuer vorgesehen. Das Arbeitseinkommen hingegen wird an der Quelle durch Lohnsteuer – dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgend – progressiv immer besteuert.
2. Finanzierung des Gemeinwohls
Artikel 20 Grundgesetz bestimmt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Die Steuereinnahmen unserer sozialstaatlichen Ordnung und auch die Staatsausgaben sind deshalb unter sozialstaatlichen Aspekten zu erheben beziehungsweise zu verausgaben. Die Einnahmen sind „gerecht“ zu realisieren und müssen für Bildung, soziale Infrastruktur, Deutsche Bahn und Klimaschutz sozialstaatlich-orientiert für die Daseinsvorsorge der Vielen verausgabt werden.
Da das Grundgesetz dem Frieden (vgl. Präambel, Artikel 1 und 26 Grundgesetz etc.) verpflichtet ist – es existiert ein umfassendes Friedensgebot des Grundgesetzes –, ist die Landesverteidigung auf ein Minimum zu begrenzen. „Kriegstüchtigkeit“ und „Hochrüstung“ sind deshalb definitiv keine Staatsziele des Grundgesetzes.
Artikel 14 (2) Grundgesetz formuliert bezogen auf „Eigentum“: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Die Allgemeinwohlorientierung des Eigentums mündet in die Steuerzahlung. Einkommen aus dem Eigentum ist nur ein Teil der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Große Vermögen erhöhen die individuelle Leistungsfähigkeit, Steuern zu tragen, auch unabhängig vom aktuellen Einkommen. Vermögensteuern schaffen zusätzliche Einnahmen für Infrastruktur und Bildung, die langfristig auch der Wirtschaft zugutekommen.
3. Stabilität und Demokratie
Extrem hohe Vermögen vermitteln politischen Einfluss. Das schränkt die Demokratie stark ein beziehungsweise beschädigt sie. Die Wiedererhebung der Vermögensteuer kann helfen, die Machtkonzentration durch hohe Vermögen zu begrenzen. Da die wirklich Reichen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit den sozial-ökologischen Umbau mitfinanzieren, kann die undemokratische Vermögensungleichheit gemindert werden. Eine Gesellschaft mit geringerer Vermögensungleichheit ist tendenziell stabiler, konfliktärmer und es gibt eine höhere soziale Durchlässigkeit. Eine Gesellschaft wie die Unsrige mit extremer Vermögensverteilung schafft den Nährboden für den politischen Erfolg der Rechten. Ein Sozialstaat mit ordentlicher und vernünftiger Daseinsvorsorge für die Bevölkerungsmehrheit nimmt rechten Parteien und Gruppierungen ihre politische Wirksamkeit und schafft sozialen Zusammenhalt.
4. Ökonomische Effizienz
Das private Vermögen ist durch eine wiedererhobene Vermögensteuer zu aktivieren. Spekulativ gehortetes Geld (auch virtuelles), Anlagemetalle, Grundstücke, Wertpapiere, Beteiligungen etc. sind gesellschaftlich gesehen produktiver einzusetzen. Eine moderate Vermögensteuer könnte zu einer nachhaltigeren Staatsfinanzierung führen. Staatseinnahmen über eine Vermögensbesteuerung sind eine alternative zu steigender Staatsverschuldung. Geringere Staatsschulden entlasten den jährlichen Haushalt durch geringere Geldfinanzierungskosten (Zinsen) und schaffen so auch noch Möglichkeiten für vernünftige Sozialausgaben.
5. Internationale Perspektive
Viele OECD-Staaten erheben Vermögensteuern. Selbst die USA bilden hier keine Ausnahme. Die Bundesrepublik Deutschland fällt hier aus dem Rahmen. Angesichts einer weltweit wachsenden Kluft zwischen Superreichen und Durchschnittsbürgern ist auch eine internationale Verständigung notwendig. In allen wirtschaftlich entwickelten (Sozial-)Staaten des globalen Nordens (allen EU-Staaten etc.) gibt es Debatten über eine faire Vermögens-Besteuerung der wirklich Reichen. Um Abwanderungen von Superreichen zu verhindern, ist es ein Erfordernis, dass sich ein Sozialbündnis für die Wiedererhebung der Vermögensteuer international vernetzt.
Fazit
Die Vermögensteuer muss nicht „eingeführt“ werden. Vielmehr ist das Vermögensteuergesetz korrekt und verfassungskonform auszugestalten und die Vermögensteuer „wieder zu erheben“. Es wird also kein neues Gesetz und auch keine neue Steuer eingeführt. Das vorhandene Vermögensteuergesetz ist klug auszugestalten. Hohe Freibeträge sollen verhindern, dass zum Beispiel das selbstgenutzte Wohneigentum einer Besteuerung zugeführt wird. Nur die wirklich Reichen sollen durch die Vermögensteuer zur Staatsfinanzierung herangezogen werden. Damit betrifft sie nur sehr große Vermögen. Die Vermögensart „Grundvermögen“ ist bewertungsrechtlich so wie für Zwecke der Erbschaftsteuer wertmäßig zu ermitteln. Das ist sogar eine Steuervereinfachung. Eine Vermögensteuererklärung ist – wie eine private Steuererklärung auch – zumutbar. Steuerberater können bei der Erstellung behilflich sein. Das können sich die wirklich Reichen finanziell immer leisten. Die Finanzämter sind personell und sachlich durch die Bundesländer entsprechend auszustatten.
Die Wiedererhebung der Vermögensteuer lässt sich mit dem Ziel einer gerechteren, stabileren und zukunftsfähigeren Gesellschaft gut begründen. Sie ist zwingend verfassungsrechtlich geboten. Es ist ein verfassungsrechtlicher Skandal, dass sie in den letzten drei Jahrzehnten nicht erhoben wurde.