HBS: Vermögensteuer zulässig und gut begründbar

Ampel kann, will aber nicht

Ein Rechtsgutachten haucht der Debatte um die Einführung einer Reichensteuer neues Leben ein. Der Berliner Staatsrechtler Alexander Thiele, der im Auftrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (HBS) ein Rechtsgutachten vorlegte, vertritt die These, dass das Grundgesetz einer Erhebung einer Vermögensteuer nicht grundsätzlich entgegenstehe. Im Gegenteil, die Einführung ist nicht nur gut begründbar, sondern würde auch zur Verwirklichung grundlegender verfassungsrechtlicher Prinzipien beitragen. So legt das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) angesichts der Milliardenausgaben für Rüstung und zur Stützung der Wirtschaft eindeutig nahe, eine gesonderte Besteuerung von hohen Vermögen einzuführen. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz schütze ohnehin nicht das Vermögen als Ganzes und sei daher grundsätzlich offen für die Auferlegung gesonderter „Geldzahlungspflichten“.

Gründe für die Einführung einer Reichensteuer gibt es genug. 117 deutsche Milliardäre häufen aktuell Gesamtvermögen von über 502 Milliarden. Euro an. Von jedem in den Corona-Krisenjahren neu erwirtschafteten Euro flossen 81 Cent an das reichste eine Prozent der Gesellschaft. Allein sechs deutsche Milliardäre besitzen mit rund 150 Milliatden Euro mehr Vermögen als die die ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung zusammengenommen.

Der Anhäufung von Reichtum steht eine Ausweitung der Armut gegenüber: Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für 2022 leben 21 Prozent der Bevölkerung an oder unter der Armut sgrenze, jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht, fast 38 Prozent der Studierenden gelten als armutsgefährdet, mehr als 10 Prozent der Menschen in Deutschland lebten 2021 in überbelegten Wohnungen.

Nicht überraschend, dass sich letztes Jahr in einer Umfrage des Bertelsmann-Instituts 77 Prozent der Bevölkerung für eine stärkere Besteuerung der Reichen ausgesprochen haben. Wie die Erfahrungen zur Vermögensteuer in Frankreich und insbesondere in Spanien zeigen, kann die Sonderbesteuerung der Reichen auch ohne großen bürokratischen Aufwand durchgesetzt werden. In Spanien spült die Vermögensteuer, die eine Besteuerung eines Nettovermögens ab 700.000 Euro vorsieht, jährlich etwa 2 Milliarden. Euro in die Staatskasse.

Der DGB geht davon aus, dass allein die Wiedererhebung der Vermögensteuer in ihrer bis 1997 geltenden Form zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von rund 28 Milliarden Euro jährlich einbringen würde. Die von den Haushaltspolitikern der Ampelkoalition gern verbreitete Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem Beschluss zur Aussetzung der Vermögensteuer vom 22. Juni 1995 die verfassungsrechtliche Tür für die Reichensteuer ein für alle mal zugeschlagen, erweist sich als Märchen.

Am Schluss ihrer Entscheidung gaben die Karlsruher Richter der Politik einen hilfreichen Rat mit auf den Weg: Das Grundgesetz enthalte „keine Vorgaben, die das Vermögen als eigenständigen Steuergegenstand ausscheiden“. Vielmehr habe der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts einen „großen Handlungsspielraum“ und dieser könne im Sinne des Sozialstaatsprinzips durchaus ausgestaltet werden. Daran hat die Ampel-Koalition jedoch gar kein Interesse. So schrieb Finanzminister Christian Lindner im „Handelsblatt“, er glaube nicht an „den volkswirtschaftlichen Nutzen“ einer Vermögensteuer. Mit Fakten und Rechtsgutachten lassen sich tiefgläubige Anhänger des Neoliberalismus wie Lindner leider nicht bekehren.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Ampel kann, will aber nicht", UZ vom 24. März 2023



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