19 Fälle von „Präventivgewahrsam“ – Betroffene rechtlos

Von Bayern lernen?

Von Markus Bernhardt

In Bayern, wo 2017 und 2018 eines der repressivsten Gesetze, das sogenannte Polizeiaufgabengesetz (PAG) von der CSU beschlossen worden war, wurden bisher 19 Personen für mehrere Wochen in Präventivgewahrsam genommen. Das bedeutet nicht weniger, als dass die Betroffenen – in übergroßer Mehrheit Migranten – ohne jedweden Rechtsschutz eingesperrt wurden. Eine Person war sogar mehrfach von den staatlichen Zwangsmaßnahmen betroffen. So geht es aus dem Abschlussbericht der „Kommission zur Begleitung des neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetzes“ hervor, der am 30. August veröffentlicht wurde. Vor allem das Polizeipräsidium Oberbayern-Süd tat sich hervor. So wurde dort ein Präventivgewahrsam mit einer Dauer von einem Monat durchgeführt, wie die Landesregierung auf Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Katharina Schulze mitteilte. Die Gründe für die Ingewahrsamnahmen reichen von„Aggressivität“ bis Trunkenheit.

Den staatlichen Stellen selbst geht das beschlossene PAG nicht weit genug. So plant das Bundesjustizministerium derzeit ein Gesetz zur DNA-Analyse und will damit durchsetzen, was aufgrund der breiten Proteste von Bürgerrechtlern aus dem bayerischen Gesetz gestrichen worden war. Das Bündnis „noPAG“, ein Zusammenschluss von etwa 100 Organisationen, das sich mit einer Verfassungsklage gegen das im vergangenen Jahr verabschiedete neue bayerische Polizeiaufgabengesetz wendet, forderte das Bundesjustizministerium daher jüngst auf, „das geplante Gesetz zur DNA-Analyse nicht in das parlamentarische Beratungsverfahren einzubringen“. „Es gibt derzeit keine Notwendigkeit für eine Verschärfung der Gesetzgebung, im Gegenteil. Die erweiterte DNA-Analyse stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar“, monierten die Bürgerrechtler. Außerdem enthalte das bayerische Polizeiaufgabengesetz bereits eine sehr weitreichende Regelung zur DNA-Analyse, stellten sie klar.

Unterdessen soll es fortan auch in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zu weiteren Gesetzesverschärfungen kommen. Das „Bündnis gegen die Verschärfung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern“ kritisierte jüngst, dass der vorliegende Entwurf aus dem Hause von Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) „unklare Formulierungen“ enthalte, die der Polizei „eine Menge Spielraum“ einräume.

In Hamburg will die Regierungskoalition von SPD und Grünen sogar eine „automatisierte Datenanalyse“ einführen lassen, die mögliche Kontakte und Verbindungen zwischen verschiedenen Personen auswerten können soll. Besagte Pläne dürften vor allem mit Blick auf die aggressive Verfolgung von Gegnerinnen und Gegnern des G-20-Gipfels in Hamburg von Bedeutung sein. Schwierigkeiten will „Rot-Grün“ offenbar auch dem Hamburger Datenschutzbeauftragten machen, der die Löschung der biometrischen Datenbank zum Gesichtsabgleich im Zuge der G-20-Ermittlungen verfügt hatte. Er soll zukünftig seine Anordnungsbefugnis verlieren und wäre somit faktisch handlungsunfähig. In Sachsen-Anhalt ist aktuell eine weitreichende Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes vorgesehen, die der als rechter Hardliner bekannte Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) zu verantworten hat. Vor allem Messengerdienste und Onlinekommunikation sollen zukünftig intensiv überwacht werden dürfen. Zudem enthält der Entwurf die „gesetzgeberische Klarstellung, dass Prävention und Wirtschaftsschutz eigenständige Aufgaben des Verfassungsschutzes“ seien.

Unterdessen wächst der Widerstand gegen die Gesetzesverschärfungen auf allen Ebenen. In den Ländern, in denen die neuen Gesetze bereits beschlossen sind, laufen Verfassungsbeschwerden von Datenschützern. Auf der Internetseite des Bürgerrechtsvereins „Digitalcourage e. V.“ findet sich eine detaillierte Übersicht über den Stand der Polizeigesetze in den verschiedenen Bundesländern und zugleich den Widerstand dagegen.

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"Von Bayern lernen?", UZ vom 13. September 2019



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