Betr.: Leserbrief von Jürgen Kelle, UZ vom 14.8.2015, S. 15

Was bedeutet Klassensolidarität in dieser Situation?

Von Bernd Bücking, München

Zum Solidaritätsbegriff (klassenmäßig) von Jürgen Kelle möchte ich nur sagen, dass Klassenkampf nie abstrakt ist, wie dies in allen philosophisch-theoretischen Schriften erscheint. Solidarität heißt (in Gegensatz zu Mitleid oder Nächstenliebe): Ich nütze meiner Sache, indem ich andere unterstütze. (Woraus natürlich auch eine moralische Haltung erwächst). Dazu brauche ich aber ein Höchstmaß an politischem Durchblick und Einfühlungsvermögen.

Wenn ich mir die Lage in Griechenland unter dem imperialistischen Diktat ansehe und das Massenbewusstsein aus den Wahlergebnissen und der Volksabstimmung nüchtern beurteile, dann muss ich als Kommunist (in Griechenland und anderswo) alles daran setzen, dass die Syriza-Regierung einigermaßen erfolgreich ist. Denn ob wir sie als sozialdemokratisch oder inkonsequent abqualifizieren, ist völlig nebensächlich. Wir sitzen insofern mit ihr in einem Boot, weil wir – alle linken Bewegungen gegen das neoliberale Diktat der Multis wie auch die KKE, die ständig dieser Regierung Knüppel zwischen die Beine wirft – ihre Niederlage teilen werden. Gerade wir deutschen Kommunisten mit unserer Erfahrung der 30er Jahre sollten wissen, dass ein Scheitern dieser griechischen Regierung nicht die Initialzündung zu einem sozialistischen Umsturz bedeuten muss, sondern eher die Chance der monopol- und NATO-unterstützten Faschisten, möglicherweise auch eines Obristenputsches wie gehabt, in sich birgt. Das aber heißt, Klassensolidarität bedeutet in der momentanen Situation Stärkung der Syriza-Regierung, gleichzeitig Druck von der Straße zu antimonopolistischen Maßnahmen, wie sie Jürgen angesprochen hat, und äußerste Flexibilität, das erpresserische imperialistische Diktat irgendwie mit größtmöglicher Volksverbundenheit von Fall zu Fall erträglicher gestalten. Wir deutschen Kommunisten sollten erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir in unserem Land außer ein paar linken Solidaritätsgrüßen nicht einmal gewerkschaftliche Solidarität für die „faulen Griechen“ zustande gebracht haben, bevor wir als selbst ernannte Besserwisser auftreten (nicht nur gegen Tsipras und Syriza, sondern genau genommen gegenüber dem „ahnungslosen“ griechischen Volk).

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"Was bedeutet Klassensolidarität in dieser Situation?", UZ vom 21. August 2015



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