Der Volksrepublik China zum 75. Geburtstag

75 Gründe für Anerkennung und Solidarität

Die Gründung der VR China am 1. Oktober 1949 war der größte Erfolg der Arbeiterbewegung seit der Oktoberrevolution 1917 in Russland. Die Kommunistische Partei Chinas hat immer wieder betont, dass dieser Erfolg nicht nur den chinesischen Arbeitern und Bauern, dem städtischen Kleinbürgertum und der nationalen Bourgeoisie unter der Führung der Kommunisten gehört, sondern dem weltweiten Befreiungskampf geschuldet ist. Der Sieg der So­wjet­union über den deutschen Faschismus in Europa hatte zur Stärkung der nationalen Befreiungsbewegungen und Beseitigung des alten Kolonialsystems und auch zu einem Aufschwung der Arbeiterbewegung in der imperialistischen Machtsphäre geführt. Die Errichtung der Volksdemokratien in den osteuropäischen Staaten Albanien, Bulgarien und Polen 1944, in Ungarn 1945, in der Tschechoslowakei und Rumänien 1948 sowie die Unabhängigkeit Indiens 1947 stehen deshalb in einem engen Zusammenhang mit den Ereignissen in China.

Was hat das mit uns zu tun?

Was soll man als deutscher Marxist der VR China zum 75. Geburtstag sagen? Ein freundliches „Weiter so!“ verbietet sich, weil wir wissen, dass die Welt leider nicht so einfach gestrickt ist. Es gibt keinen einfachen Weg in eine bessere Welt.

Reicht eine Zurückweisung der Unverschämtheiten, welche die VR China sonst aus Deutschland von Regierung, Journaille und auch aus manchen Konzernetagen zu hören bekommt? Das würde doch den schönen Anlass eher verdunkeln durch Bilder von verbissenen Chinafeinden wie Baer­bock, Scholz, Habeck, Lindner oder des Milliardärs Michael Schmidt-Ruthenbeck. Diesem gehören größere Anteile der Metro-Gruppe und er betreibt gleich ein ganzes Anti-China-Hetz-Institut, nämlich Merics.

Es geht doch vor allem darum, das Gemeinsame herauszufinden und herauszustellen: Was verbindet unsere Völker, was verbindet die arbeitenden Menschen der verschiedenen Länder? Das Gemeinsame, das es zu verteidigen, zu vertiefen gilt! Das soll im Folgenden versucht werden.

Verbindendes

Was ist das Wichtigste, das uns verbindet? Die Handelsbeziehungen? Die gegenseitigen Kapitalinvestitionen? Die diplomatischen Beziehungen? Vielfältige staatliche Abkommen über Wirtschaft und Kultur? Der Tourismus? All das kann verbinden, kann aber auch trennen, wie wir in den letzten Jahren erfahren haben: als Handel und Wirtschaftsbeziehungen zu Drohungen, Erpressungen und Sanktionen gegen die VR China vor allem durch die USA benutzt wurden und jetzt auch auf deutsche Initiativen hin von der EU betrieben werden. Solche Beziehungen, die durch Ware, Geld und Kapital dominiert werden, durch das kapitalistische Privat- und Profitinteresse, sehen das Gemeinsame stets nur unter dem Blickwinkel, wie es dem Privaten, nicht dem Kollektiven nutzen kann.

Was aber kann Menschen, nicht in erster Linie Sachen, wirklich zusammenbringen? Ist das nicht der gemeinsame Kampf um die Zukunft der Menschheit, gegen die Ausbeutung und Ausplünderung, gegen die Untergrabung der – wie es Marx einmal ausgedrückt hat – „Springquellen alles Reichtums“ – der Erde und der Arbeiter? Kurz: der gemeinsame Kampf für die Emanzipation der arbeitenden Klassen!

Und ist das nicht der Kampf um den Sozialismus? Der Sozialismus: Er ist für China und Deutschland zugleich gemeinsames Erbe und gemeinsame Zukunft.

Es gab ja auch in Deutschland den Sozialismus; er wurde von zwei herausragenden Deutschen – bezeichnenderweise als Flüchtlinge im britischen Exil – als Wissenschaft entwickelt. Früh schon zeigten Marx und Engels Sympathien für die chinesischen Taiping-Revolutionäre und ihren Kampf gegen die eindringenden europäischen Großmächte und die verfallende halbfeudale Qing-Dynastie. Der konsequenteste Schüler von Marx und Engels, Lenin, schrieb angesichts der barbarischen Niederschlagung des Boxeraufstands im Jahr 1900: „Die Chinesen hassen nicht die Völker Europas – mit ihnen haben sie keine Zusammenstöße gehabt –, sondern die europäischen Kapitalisten und die den Kapitalisten hörigen europäischen Regierungen. Wie sollten auch die Chinesen nicht Menschen hassen, die nur des Profits wegen nach China gekommen sind, die ihre vielgerühmte Zivilisation nur zu Betrug, Raub und Vergewaltigung ausgenutzt haben, die gegen China Kriege führten, um das Recht zu erhalten, mit dem das Volk betäubenden Opium Handel zu treiben (…), die ihre Raubpolitik heuchlerisch mit der Verbreitung des Christentums verschleierten.“ Ähnlich äußerten sich in jenen Jahren führende deutsche Sozialisten wie Paul Singer, Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg.

Der Marxismus erreichte China vor allem über Russland und Japan. Sun Yat-sen lernte ihn kennen, Li Dazhao und Chen Duxiu versuchten ihn auf China nach der Revolution von 1911 anzuwenden. Mit der Gründung der Kommunistischen Partei im Jahr 1921 fasste der Marxismus endgültig Fuß in China und wurde in der Hand solch bedeutender Führungspersönlichkeiten wie Mao Zedong, Zhou Enlai und Zhu De zur mächtigen, auf die chinesischen Verhältnisse angepassten Waffe.

Und in Deutschland? Nach der gescheiterten sozialistischen Revolution von 1918/19 wurde die KPD zur Fackel des Sozialismus; sie war die größte Kommunistische Partei außerhalb der So­wjet­union. Sie leitete den Widerstand gegen Faschismus und Krieg und schuf so nach dem 8. Mai 1945 die Grundlage für die antifaschistisch-demokratische Umwälzung im Osten Deutschlands. Darauf aufbauend wurde der Sozialismus in Deutschland schließlich auch als Staatsmacht und als neue Gesellschaftsordnung errichtet. Völlig zu Recht wurde dieser Staat, die DDR, als bisher größte Errungenschaft der internationalen Arbeiterbewegung auf deutschem Boden und als Garant des Friedens in Europa bezeichnet.

Vom Kalten Krieg zur Konterrevolution

Mit der imperialistischen Politik des Containment und des Rollback wurde bereits ab 1946 der Kalte Krieg eröffnet, der einen ersten, gar nicht kalten Höhepunkt im brutalen, Millionen Opfer kostenden Koreakrieg hatte. Skrupellos spaltete der US-Imperialismus das Land, wie er auch Deutschland zusammen mit dem „Kanzler der Alliierten“, Konrad Adenauer, gespalten hat. Auch das verbindet!

Die Verbindungen zwischen der VR China und der DDR lockerten sich im Zuge der nach dem XX. Parteitag der KPdSU im Jahr 1956 wachsenden Spannungen im sozialistischen Lager. Doch die Beziehungen rissen nie ganz ab. Die BRD erkannte erst ab 1972 das volkreichste Land der Welt und eine der ältesten Zivilisationen diplomatisch an. Und die Anerkennung der Volksrepublik war kein Akt der Freundschaft seitens des deutschen Imperialismus, sondern ein Schritt, um Widersprüche zwischen der VR China und der So­wjet­union besser ausnutzen zu können.

Während es in der VR China 1989 gelang, die Konterrevolution auf dem Platz des Himmlischen Friedens zurückzuschlagen, konnte hierzulande der Antifaschistische Schutzwall nicht gehalten werden. Die DDR wurde zerschlagen und unter dem Vorwand der nationalen Wiedervereinigung dem westdeutschen Spalterstaat einverleibt. Das Volkseigentum wurde unter die altbekannten Konzerne verteilt und der Rest von der staatlichen Schandanstalt „Treuhand“ zerschreddert, um es an weitere Gauner, Glücksritter und Freibeuter zu verschleudern – eine Warnung an alle nach 1989 verbliebenen sozialistischen und um ihre Befreiung vom Imperialismus ringenden Länder, ihre Souveränität und territoriale Integrität wie ihren Augapfel zu hüten.

Aus unserer Niederlage konnte die VR China lernen, wie unbarmherzig der Imperialismus mit unserem Zurückweichen, mit unseren Schwächen verfährt; wie gerade die Niederlage des Sozialismus die Welt nicht friedlicher gemacht hat, sondern alle aggressiven Potenzen des Imperialismus wieder zum Vorschein brachte: Kaum war die DDR einverleibt, fiel man über den Irak her, dann über Jugoslawien. Eine bunte Konterrevolution nach der anderen, Ausdehnung der NATO an die Grenzen der Russischen Föderation, gelenkter Putsch in der Ukraine 2014 und deren Verwandlung in ein Aufmarschgebiet gegen Russland. Und jetzt: Gaza.

Die VR China – ihr Feind, unser Freund

Und wozu das alles? Der Fluchtpunkt im Treiben des Imperialismus ist die sozialistische VR China. Russland, ihr Verbündeter, soll geschwächt, ausgeblutet, umgestürzt werden. Von den Ölquellen im Nahen und Mittleren Osten soll die VR China abgeschnitten werden; deshalb die kaltschnäuzige Unterstützung des Zionismus in Israel als aggressivem Vorposten des Imperialismus gegen die arabischen Völker, gegen den Iran.

Auch das verbindet. Solange es die Friedensmacht So­wjet­union in Europa gab, solange es den Friedensstaat DDR gab, konnte der Imperialismus in Europa und sogar in Deutschland nicht schalten und walten wie er wollte – er musste gelegentlich Rücksicht nehmen auf die „Sozialpartner“, musste die soziale und demokratische Fassade putzen, auch mal Rücksicht auf kleinere Nationen nehmen, auch mal in „Entwicklungshilfe“ machen. Rücksicht, derer man schon lange nicht mehr bedarf. Von der sogenannten „Übernahme weltpolitischer Verantwortung“ bis zur „Kriegstüchtigkeit“ hat sich der deutsch-imperiale Großkotz wieder gemausert.

75 Jahre – 75 Gründe

Es wird berichtet, Lenin habe mit Genossen im Kreml im Januar 1918 Freudentänze aufgeführt, als sich die junge Sowjetmacht genauso lange gehalten hatte wie die Pariser Kommune – nämlich 72 Tage. Die Sowjetmacht hielt schließlich – am Ende schon arg zerzaust – bis 1991, also 74 Jahre. 75 Jahre hat jetzt die VR China geschafft – und das ist Anlass für Freudentänze nicht nur des chinesischen Volkes und seiner kommunistischen Führung. Es ist Anlass zur Freude für die ganze Menschheit. Jedes einzelne Jahr ist ein Grund zum Feiern, ein Grund für Anerkennung, Respekt und Solidarität.

Denn der Sozialismus kommt nicht von allein und er hält sich – solange der Imperialismus noch mächtig ist – auch nicht von allein. Er ist angewiesen auf die Bewusstheit des Volkes, das ihn will und ihn trägt, auf die Kampfbereitschaft seiner führenden Klasse, des Proletariats. Und er lebt durch das unerschütterliche Festhalten am Marxismus-Leninismus und seiner Anwendung, Überprüfung und Weiterentwicklung in der Praxis und in den konkreten Verhältnissen der Volksrepublik.

Jedes einzelne Jahr war ein Jahr des Kampfes, verbunden auch mit schweren Rückschlägen. Die chinesischen Genossen wissen, dass der Sozialismus nicht auf Kommando hört, dass er tagtägliche Selbstvergewisserung ist, Suche nach der richtigen Lösung, dem richtigen Weg dorthin und angewiesen auf Überzeugung und Gewinnung von Mitstreitern – und insgesamt ein welthistorisches Experiment, mit dem die Arbeiterklasse bisher nur relativ kurze Erfahrungen in relativ wenigen Ländern gesammelt hat – verglichen mit den vielhundertjährigen Erfahrungen mit Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und Kapitalismus.

Und: Die chinesischen Genossen wissen um das Geheimnis ihres Erfolgs. Es ist die Macht in der Hand der Kommunistischen Partei Chinas, die in der Lage ist, die Einheit der Widersprüche zu erkennen und in der Praxis mit den „großen Divergenzen“ zwischen den Interessen der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, des städtischen Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie umzugehen, sie immer wieder zu überwinden und das gemeinsame Interesse dieser großen Nation durchzusetzen: die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte als Voraussetzung zur Aufhebung der Klassen.

Wir haben diesen Weg erst – wieder – vor uns. Um wie viel leichter hätten wir es und müssten nicht bei null oder im Minusbereich eines von Krieg und Bürgerkrieg über fast 40 Jahre zerstörten Landes anfangen wie 1949 die VR China. Wir könnten anfangen auf der Basis hochentwickelter Produktivkräfte und in einem Land, das nur an selbstverschuldeter Rückständigkeit leidet, schlagend bewiesen durch die Dekadenz seiner Oligarchen-Familien, durch sein führendes Personal in Politik, Wirtschaft und Medien, das uns durch Arroganz, Dreistigkeit, Lügenhaftigkeit und Asozialität wahrlich lange genug gequält hat. Denen ihre wohlverdiente Auszeit von der Macht zu verschaffen, ist das Gebot des 21. Jahrhunderts und wäre die wichtigste Unterstützung für die noch immer vom Imperialismus bedrohten sozialistischen Länder, allen voran die VR China – und natürlich nie zu vergessen das tapfere Kuba!

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"75 Gründe für Anerkennung und Solidarität", UZ vom 4. Oktober 2024



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