Journalist Jakob Reimann verliert vor Gericht gegen Israel-Fan

Wegen Zitats verurteilt

Karoline Preisler verkörpert seit 21 Monaten den antipalästinensischen deutschen Mainstream: Sie gibt sich als Einzelkämpferin gegen grassierenden Antisemitismus. Tatsächlich liegt die FDP-Politikerin voll auf Linie der deutschen Staatsräson und weiß Medien, Politik und Staatsgewalt hinter sich.

Israels „Menschlichkeit“

Preisler hat zwei Lieblingsthemen: Zum einen die Gefangenen im Gaza-Streifen. Damit meint sie allerdings nicht die zwei Millionen Palästinenser, die dort seit zwei Jahrzehnten durch die israelische Blockade im Freiluftgefängnis gefangen gehalten und mittlerweile systematisch ausgehungert werden. Sondern die Israelis – aktuell noch ungefähr 20, davon etwa ein Viertel kriegsgefangene Soldaten –, die seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza festgehalten werden. Zum anderen die während der Operation „Al-Aqsa-Flut“ vermeintlich vom palästinensischen Widerstand verübten Vergewaltigungen. Dabei übersieht Preisler geflissentlich den Umstand, dass selbst zionistische Organisationen eingestehen mussten, dass kein einziges dieser Verbrechen bewiesen werden konnte.

Um das Thema Vergewaltigungen im Zusammenhang mit Palästina und Preislers fragwürdige Einschätzungen diesbezüglich ging es am 18. und 22. Juli vor dem Berliner Landgericht. Preislers Begeisterung für Israel geht nämlich so weit, dass sie in einem Interview mit der zionistischen Aktivistin Anna Staroselski behauptete, Israel sei im Falle der systematischen Vergewaltigungen palästinensischer Gefangener – in den Worten Preislers: „sexuelle Gewalt, die mutmaßlich eben auch palästinensische Akteure erlitten haben“ – im Vergleich zu den Palästinensern „der noch menschlichere Akteur“. Diese ungeheuerliche Aussage stand einen Moment im Raum, dann sekundierte Staroselski: „Weil es ein Rechtsstaat ist“, was Preisler echote.

„Angriff auf Pressefreiheit“

photo 2025 07 28 14 10 08 - Wegen Zitats verurteilt - Jakob Reimann, Karoline Preisler, Landgericht Berlin, Palästina-Solidarität, Pressefreiheit, Ralf Höcker, Repression - Blog, Politik
Jakob Reimann (Foto: privat)

Der Journalist Jakob Reimann, der unter anderem für „junge Welt“ und „etos.media“ schreibt, hatte Preislers Aussage folgendermaßen auf X zitiert und kommentiert: „Karoline Preisler (…) hat auch zu den massenhaften Vergewaltigungen palästinensischer Gefangener durch (israelische, UZ) Soldaten was zu sagen: ‚selbst da, (sic) ist #Israel noch der menschlichere Akteur‘. Das ist die Radikalisierung der Mitte.“

Die „Aktivistin“ sah sich sinnentstellt zitiert und verklagte Reimann. Dabei wurde sie von der Kanzlei Höcker vertreten. Der namensgebende „Staranwalt“ Ralf Höcker arbeitete in der Vergangenheit mehrfach für die AfD, steht dem ehemaligen „Verfassungsschutz“-Chef Hans-Georg Maaßen und dessen rechter Werteunion nah und twitterte im Januar 2025: „Freust du dich auch schon so auf den Sommerurlaub 2027 im geräumten, blitzsauberen und sicheren Gazastreifen? Es wird ganz großartig!“, zusammen mit einer Israel-Fahne.

Das Team Preisler siegte in erster Instanz: Reimann muss dem Urteil zufolge seinen Post auf X löschen und darf seine Aussage nicht wiederholen, bei Androhung einer Geldstrafe von 250.000 Euro oder einem halben Jahr Gefängnisstrafe. Dabei ist das Gericht der Maximalforderung von Preislers Anwälten gefolgt. Außerdem hat er die Verfahrenskosten zu tragen. Gegenüber UZ erklärte Reimann: „Es ist enttäuschend, dass das Gericht der Klage der rechten Influencerin stattgegeben hat.“ Die Richterin sei vollständig der Argumentation der Klägerin gefolgt, so dass ihre Anwälte nicht einmal mehr Fragen zu stellen gehabt hätten. Es handle sich „um einen Angriff auf die Pressefreiheit“. „Während sich pro-israelische Akteure in den Medien extrem rassistisch äußern oder die Begehung von Kriegsverbrechen fordern können, sollen Stimmen, die diese Gewalt verurteilen, unterdrückt werden.“ Reimann kündigte an, in Berufung zu gehen.

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