„Allen muss deutlich werden: Jeder und jede in unserer Gesellschaft muss einen Beitrag leisten“, sagte Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) schon Mitte 2024. Was sie damit meinte, steht nun im Koalitionsvertrag von SPD und Union: Die Wiedereinführung des Wehrdienstes.
Nun stellen sich junge Menschen die Frage: Was ist das für eine Gesellschaft, in der ich einen Beitrag leisten soll? Die Antwort ist wenig überraschend und doch enttäuschend. Es ist eine Gesellschaft, in der 81 Prozent der Jugendlichen Angst vor Krieg haben, aber statt Abrüstung und Diplomatie bekommen wir Aufrüstung, US-Raketen und Kriegsdienst. Es ist eine Gesellschaft, in der 67 Prozent der Jugendlichen Angst vor Armut haben. Leider völlig berechtigt: 11 Prozent der Erwerbslosen sind unter 25. Die ver.di-Jugend stellt fest: „Bei weitem nicht jeder junge Mensch, der einen Ausbildungsplatz sucht, findet ihn auch.“ Jugendarbeitslosigkeit, fehlende Ausbildungsplätze und sinkende Reallöhne befeuern nicht nur die Angst vor Armut, sondern verschärfen die Konkurrenz und erleichtern den Unternehmen schlechtere Ausbildungsbedingungen. Gleichzeitig nimmt der Leistungsdruck zu. Jugendliche bezahlen das immer häufiger mit ihrer Gesundheit. Es ist eine Gesellschaft, in der die Themen Klimaveränderung und Umweltschutz über 60 Prozent der Jugendlichen bewegt, aber statt Einhaltung der internationalen Klimaziele werden massenhaft Waffen produziert und in Kriegsgebiete geliefert. Damit werden Menschen getötet und unsere natürliche Lebensgrundlage wird zerstört.
Der Koalitionsvertrag von SPD und Union ist ein Angriff auf die Rechte der Jugend. Mit Kriegsdienst und Militarisierung von Hochschulen und Forschung sollen wir kriegsfähig gemacht werden. Wer dagegen protestiert, muss in Zukunft mit härterer Repression rechnen – bis hin zur Ausweisung bei Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Mit Sozialleistungen und Rente können wir nicht mehr rechnen und auch Arbeitsplätze jenseits der Waffenschmieden werden knapper. Denn mit der Umstellung auf Kriegswirtschaft soll vor allem die Rüstungsindustrie aufgebaut und gestärkt werden – das bezahlen wir mit zivilen Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Dabei sagen die Herrschenden offen, worum es ihnen geht: Die Vormachtstellung der NATO-Staaten soll gegen den systemischen Konkurrenten, die Volksrepublik China, verteidigt werden. Gleichzeitig unternimmt der deutsche Imperialismus – nach zwei Weltkriegen – den dritten Anlauf zur Großmacht. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil brachte das schon 2022 auf den Punkt: „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem. Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.“ Auf diesem Weg gibt es keinen Platz für die Sorgen, Ängste oder gar Wünsche junger Menschen.
Darüber gibt es berechtigte Wut. Für uns gilt es, diese zu nutzen, sie in wirksamen Protest umzuwandeln. Wie das klappen kann, zeigen an vielen Orten die Aktionen des Bündnisses „Nein zur Wehrpflicht“. Die Petition gegen die Wiedereinführung des Kriegsdienstes bietet eine inhaltliche Grundlage für gemeinsame Aktionen gegen Bundeswehrauftritte an Schulen und auf Jobmessen und einen Aufhänger für Gespräche – nicht nur darüber, was wir nicht wollen, sondern auch darüber, was wir wollen. Die Bundeswehr ist ebenso wenig eine Zukunftsperspektive wie ein Job in der Rüstungsindustrie. Wir kämpfen gegen Wehrpflicht, Stellenstreichungen und Leistungsdruck, für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen.
Unsere Autorin ist Mitglied des Bundesvorstandes der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ)