Jugendbündnis richtet sich gegen geplante „neue“ Wehrpflicht und Kriegsertüchtigung

„Über unser Leben selbst verfügen“

Chris Hüppmeier

Die Bundeswehr hat seit Jahren Rekrutierungsprobleme vor allem bei jungen Menschen. Mit der massiven Hochrüstung und der proklamierten Kriegstüchtigkeit will das Pistorius-Ministerium das Problem in den Griff bekommen. Bis 2031 sollen rund 20.000 neue Soldaten in die Bundeswehr gelockt werden. Dafür wurde der Etat für die Werbung und Rekrutierung Anfang des Jahres auf über 50 Millionen Euro erhöht. Auch die Einführung einer „neuen Wehrpflicht“ ist geplant. Dagegen hat sich ein neues, bundesweit aktives Jugendbündnis gegründet. Im UZ-Gespräch erklärt uns Skjold Albers von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und Teil des Bündnisses „Nein zur Wehrpflicht!“, warum der breite Schulterschluss der Jugend gegen die Kriegsertüchtigung so wichtig ist.

UZ: Mit den Plänen, eine „neue Wehrpflicht“ einzuführen, rückt auch die Kriegsertüchtigung der Jugend immer näher. Die Rekrutierungszahlen für die Bundeswehr wollen aber weiterhin nicht so steigen wie gewünscht. Was plant ihr als Bündnis, damit das so bleibt?

Skjold Albers: Die Bundeswehr wirbt offensiv um Jugendliche. So tritt die Bundeswehr beispielsweise mit Jugendoffizieren in Schulen auf, um dort Ziele der deutschen Kriegspolitik zu vermitteln. Das Bildungsministerium nennt das dann eine „Bereicherung für den Unterricht“. Auch auf Berufsmessen, Bussen und selbst auf Pizzakartons wirbt die Bundeswehr um Nachwuchs. Ab Oktober werden die ersten 18-Jährigen zu ihrem Geburtstag einen verpflichtenden Fragebogen zugesendet bekommen. Dennoch lehnt die Mehrheit der Jugend die Bundeswehr ab. Als Bündnis knüpfen wir an diesem Bewusstseinsstand der Jugend an. Wir wollen auf lokaler Ebene in Form von Jugendbündnissen gegen die schrittweise Einführung der Wehrpflicht aktiv werden. Das erste Mal in Aktion gekommen sind wir als Bündnis am diesjährigen Antikriegstag. Dort haben wir uns in zahlreichen Städten an Demonstrationen der Friedensbewegung beteiligt und darüber hinaus weitere Aktionstätigkeit entfaltet. Zum Beispiel in Neumarkt, wo der lokale Bündnisableger einen Papppanzer gebaut und sich damit in die Innenstadt gestellt hat und Jugendliche dazu animiert hat, auf den Panzer zu schreiben, wofür sie lieber Geld investieren würden, als in Rüstung – warum sie gegen Krieg und die Wiedereinführung der Wehrpflicht sind.

UZ: Ihr seid ein breit aufgestelltes Bündnis mit beinah allen großen linken Jugendverbänden – wie wichtig ist das und worin seid ihr euch einig?

Skjold Albers: Es ist wichtig, dass wir bereits jetzt breiten Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung organisieren. Nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr müssen wir mit einer Ausweitung der Wehrpflicht rechnen. Als Bündnis stellen wir uns gegen alle Pläne zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und sagen klar: Das ist nicht in unserem Inte­resse! Wir sollen in Kasernen zu Drill und Gehorsam erzogen und „kriegstüchtig“ gemacht werden – in einer Institution, in der „Skandale“ wie Mobbing, sexualisierte Gewalt und faschistische Netzwerke keine Einzelfälle sind und in der viele Betroffene psychische Probleme davontragen. Wir wollen stattdessen lernen, kritisch zu denken und uns für den Frieden einsetzen! Wir wollen über unser Leben und unseren Körper selbst verfügen! Den Aufruf haben bislang mehrere Organisationen, darunter der Sozialistisch-Demokratische Studierendenbund (SDS), die Internationale Jugend, die Linksjugend Solid Berlin, der Bundesarbeitskreis Klassenkampf und das Studierendenkollektiv unterzeichnet. Weitere Organisationen nehmen regelmäßig an den Vernetzungstreffen teil. Auf lokaler Ebene ist es uns gelungen, auch Gliederungen der Gewerkschaftsjugend zu gewinnen, wie beispielsweise in Münster, wo am Antikriegstag auch die ver.di-Jugend und die junge GEW an einer Aktion mitgewirkt haben.

UZ: Das Bündnis „Nein zur Wehrpflicht“ richtet sich aber nicht nur gegen die Pläne zur „neuen Wehrpflicht“, oder?

Skjold Albers: Nein, für uns ist klar, dass die Wehrpflicht die Gefahr eines großen Kriegs auf europäischem Boden steigert. Sie steht im Kontext von Aufrüstung und Militarisierung. Noch mehr Aufrüstung und noch direktere Kriegsvorbereitung werden aber keinen Frieden schaffen. Wir brauchen eine Politik der Entspannung und Diplomatie – und keine des Krieges! Jede Investition in die Aufrüstung ist eine Entscheidung gegen höhere Ausgaben für Bildung, Umweltschutz und Soziales und damit gegen unsere Bedürfnisse und Inte­ressen. Es braucht mehr Geld für Soziales, Bildung und Gesundheit!

UZ: Wie ist die derzeitige Stimmung der Jugend in der Bundesrepublik zu Hochrüstung und den Kriegen, die weltweit eskalieren?

Skjold Albers: Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Jugendlichen massive Sorgen vor einer Ausweitung der Kriege in der Ukraine und gegen Palästina haben. Während die Wahrnehmung der bestehenden Kriegsgefahr eine richtige Teilerkenntnis darstellt, kaufen aber viele Jugendliche den Herrschenden die Bedrohungslüge ab – also das Märchen vom russischen Aggressor, der auch Deutschland angreifen will. Sie sehen damit die Anheizer der steigenden Kriegsgefahr eben nicht im Hauptkriegstreiber – den USA – und im Hauptfeind – dem deutschen Imperialismus. Während wir vor wenigen Jahren noch breite Zustimmung von Jugendlichen bei Störaktionen gegen die Bundeswehr erhalten haben, stoßen wir nun auch vermehrt auf Gegenwind. Die Bundeswehr wird als gewöhnliche Armee im (Auslands-)Einsatz wahrgenommen, die dadurch für Frieden und Wohlstand sorgt. Auch die jahrelange Berichterstattung über eine angeblich unterfinanzierte Bundeswehr mit schief schießenden Gewehren und flugunfähigen Hubschraubern hat ihre Wirkung voll entfaltet, mögliche Kritik an der laufenden Hochrüstung zum Schweigen zu bringen. Dennoch wird die Wiedereinführung der Wehrpflicht von Jugendlichen überwiegend abgelehnt. 60 Prozent der Jugendlichen, unter Frauen sogar 70 Prozent, sprechen sich gegen die Wehrpflicht aus. Nur 13 Prozent der Jugendlichen gehen davon aus, dass es in jeder Gesellschaft Probleme gibt, die man nur mit Waffengewalt lösen kann. Die Lüge der Herrschenden, dass Kriege notwendige Mittel zur Lösung von Problemen wären, glauben damit die wenigsten.

UZ: Was muss ich als Schüler oder Student tun, um bei euch dabei zu sein?

Skjold Albers: In dem Bündnis kann jeder mitwirken. Am besten geht man dafür auf die lokalen Ableger des Bündnisses oder direkt auf die Bündnisorganisationen zu. Als Bündnis wollen wir zudem zur großen Friedensdemo der Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“ in Berlin am 3. Oktober mobilisieren. Am besten schaut man also vor Ort im Jugendblock des Bündnisses vorbei.

Mehr Informationen zum Bündnis gibt es online:
neinzurwehrpflicht.wordpress.com

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"„Über unser Leben selbst verfügen“", UZ vom 13. September 2024



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