Tim Laumann zum neuen Postgesetz – Teil 3: Zersplitterung und Unsicherheit

Wer bringt die Post?

Tim Laumann

Das Bundeskabinett hat am 20. Dezember 2023 einen vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf eines „Postrechtsmodernisierungsgesetzes“ (PostModG) gebilligt. Tim Laumann erklärt in einer mehrteiligen Serie, was das neue Postgesetz bringt.

Durch einfache Mitteilung an die Bundesnetzagentur kann eine Firma von der Verpflichtung zum Universaldienst, also von der flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen, zurücktreten (Paragraph 5 (6) PostModG). Tatsächlich gibt es zwar Möglichkeiten, Unternehmen zu dieser Leistung zu verpflichten, aber die sind sehr zahnlos (siehe Teil 2 der Serie). Ein weiteres Schlupfloch, groß wie ein Scheunentor, haben die Koalitionäre dem Postmonopol eingeräumt. Paragraph 24 (2) sieht vor, dass Versorgung und Qualität zur Erprobung von „digitalen, automatisierten und mobilen Modellen“ der Zustellung auf Antrag bei der Bundesnetzagentur ausgesetzt werden können. Die Begründung des Ministeriums spricht im Referentenentwurf zum PostModG von „Reallabor“. Tatsächlich experimentiert die Deutsche Post sehr gern, DHL lässt die Routen bereits per KI berechnen, wie Kay Meiners und Andreas Molitor in ihrem Beitrag „Die unsichtbare Macht“ berichten, der in der Zeitschrift „Mitbestimmung“ der Hans-Böckler-Stiftung erschienen ist (Ausgabe 6/2023).

Sollte es nun passieren, dass die Bundesnetzagentur dem Monopolisten seine Zustimmung dazu verweigert, dass dieser die bundesdeutschen Kunden in seinem „Reallabor“ zu Versuchsobjekten macht, dann kann er die Sparte auch einfach ausgliedern. Das ist der reale Hintergrund, auf dem viele der teilweise kriminell agierenden Subunternehmen bereits heute operieren. Ein konkretes Beispiel dafür wurde durch die Lkw-Fahrer-Streiks in Gräfenhausen bekannt (UZ vom 1. Dezember 2023).

Die Deutsche Post selbst hat zur Zerschlagung von Tarifstrukturen und zur Verlängerung von Arbeitszeiten der Lkw-Fahrer im Jahr 2022 eine Deutsche Post Transport GmbH gegründet. Und bei Amazon gehört die Ausgliederung zur Erprobung von digitaler Steuerung der Subunternehmer seit Beginn an zum Geschäftsmodell. Niklas Hoves von der Stiftung ethecon nennt bereits 2020 die Tochterfirmen Amazon City Logistic Alpha und Amazon City Logistic Gamma als solche Beispiele.

Die Möglichkeit von Ausgründungen ist also bekannt, vor allem in der Paketzustellung. Sie gehören zur kapitalistischen Konkurrenz, die die Ware Arbeitskraft indirekt und direkt billiger machen will, indem sie Wert und Preis dieser Ware drückt. Betriebsräte und Tarifverträge würden da nur stören. Der Referentenentwurf zum PostModG geht hier nicht ran – im Gegenteil. Er erweitert die Möglichkeiten dieser Kapitalstrategie. Die Kritik von ver.di beschränkt sich auf das Verbot von Subunternehmern. Das greift hier zu kurz, denn das Problem sind nicht die Subunternehmer. Deren teilweise kriminelles Betragen ist nur Ausdruck des Auftrags, den sie in der monopolistischen Konkurrenz der Großen erhalten haben.

Passend zur Kapitalstrategie der Ausgliederung und Auslagerung sieht dann auch Paragraph 28 (3) PostModG vor, Teile der Universaldienstleistung einzeln an Unternehmen oder auch nur gebietsweise zu vergeben. Den dadurch entstehenden Dschungel an Regelungen darf man dann aber wenigstens öffentlich einsehen: Paragraph 12 (2) 2 sieht einen Onlineatlas vor, in dem die Zustellgebiete, die Anbieter und die Versorgung einzusehen sind. Als Beispiel dafür, wie man sich das vorstellen kann, kann das Menü der Preisgestaltung an den Verkaufsautomaten der Deutschen Bahn dienen. Da der Zug eh nicht pünktlich fährt, bleibt dann Zeit, um eines unter zwei Dutzend möglichen Tickets auszusuchen.

Und wenn nun wirklich ein Dorf keine Post mehr bekommt? Dann kann die Bundesnetzagentur zur Dienstleistung verpflichten, es sei denn, so sagt Paragraph 55 (1), es ist dem marktbeherrschenden Unternehmen „wirtschaftlich nicht zumutbar“. Und eine Verpflichtung kann auch dann nicht erfolgen, „wenn er nachweist, dass durch sie die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen und die Betriebssicherheit gefährdet würde, oder im Einzelfall die vorhandenen Kapazitäten für die nachgefragte Leistung erschöpft sind“.

Das bedeutet also: Wenn man kein Geld verdienen kann oder die ausgelagerten Teilbereiche nicht mehr hergeben, dann muss die Post auch nicht mehr zugestellt werden.

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