In Mörfelden-Walldorf steht eine SDAJlerin auf dem Stimmzettel

Wir streiten nicht nur im Parlament

Fiona Beyermann kandidiert für die DKP/Linke Liste zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung am 14. März in Mörfelden-Walldorf. Sie ist 24 Jahre alt und studiert Medizin. Fiona hat eine Ausbildung zur Logopädin abgeschlossen und engagiert sich in der SDAJ.

UZ: Die Kommunalparlamente werden häufig als Domäne von weißhaarigen Männern beschrieben. Was hat dich als junge Frau bewogen, in die Kommunalpolitik einzusteigen?

Fiona Beyermann: Während meiner Ausbildung bekam ich Kontakt zur SDAJ. Ich habe da erstmals an einem Lesekreis zum Kommunistischen Manifest teilgenommen, weil mich das interessiert hat. Danach war ich auch immer mal wieder auf Gruppenabenden, bis ich von hier nach Würzburg gezogen bin.

Das Arbeitsleben als Logopädin dort war ziemlich problematisch, der Chef war anstrengend und hat seine Machtposition ziemlich ausgenutzt. Ich holte mir Rat bei der dortigen SDAJ und wollte in diesem Betrieb einen Betriebsrat etablieren, weil die Zustände nicht ertragbar waren, weder für mich noch für meine Kolleginnen. Das hat leider nicht funktioniert. Ich habe dann aber ein anderes Jobangebot bekommen und ein paar meiner Kolleginnen haben sich zusammen selbstständig gemacht und eine eigene Praxis gegründet. Also ein bisschen hat das etwas gebracht.

Für mich wurde klar, dass ich mich politisch engagieren muss, wenn es solche Zustände gibt und niemand anderes etwas dagegen unternimmt. Ich bin in die SDAJ und in ver.di eingetreten und habe dann nach meiner Rückkehr nach Mörfelden-Walldorf auch angefangen, Aktivitäten der DKP zu unterstützen. Ich denke, das ist auch einfach wichtig, dass sich auch junge Frauen engagieren, um zu zeigen, dass die Kommunalpolitik auch eben für Frauen ein Umfeld sein muss, in dem wir etwas bewirken können. Wie du schon gesagt hast, es ist mit Frauen ziemlich unterbesetzt.

UZ: Welche Reaktion gab es in deinem privaten Umfeld?

Fiona Beyermann: Da ich eben viel SDAJ-Umfeld habe, waren die Reaktionen überwiegend positiv. Auch vom weiteren Familienkreis habe ich jetzt schon positive Rückmeldungen bekommen, auch wenn viele mich nicht wählen können, weil sie nicht hier wohnen. Wenn man sich lokal engagiert, sind die meisten Reaktionen positiv, vielen ist klar, dass sich auf lokaler Ebene zu wenige Menschen generell und speziell zu wenige Frauen engagieren.

UZ: Du kandidierst auf Platz 2 der DKP/Linken Liste in Mörfelden-Walldorf und hast damit sehr gute Chancen, in die Stadtverordnetenversammlung gewählt zu werden. Siehst du dich gut vorbereitet?

Fiona Beyermann: Ich stehe in engem Kontakt mit einigen anderen Kandidatinnen und Kandidaten, auch aus der Partei. Durch die wöchentlichen Stände die wir als DKP/LL auch unabhängig von der Wahl machen, diskutiere ich mit vielen Menschen, das ist schon eine gute Vorbereitung. Besonders unterstützt hat mich unser Parteigenosse und örtlicher Magistrat Alfred J. Arndt. Vielleicht bin ich nicht zu hundert Prozent vorbereitet, aber ich bin mir schon sicher, dass ich in die Verantwortung hineinwachsen werde.

UZ: Welche Schwerpunkte hast du dir persönlich in der Kommunalpolitik gesetzt?

Fiona Beyermann: Mir liegt die Gesundheitspolitik der Kommune am Herzen, weil wir hier einen starken Mangel an Ärztinnen und Ärzten haben, besonders für die Versorgung der Kinder.

Hausärztinnen und Hausärzte haben teilweise eine Warteliste von über einem Jahr. Und das ist absolut unmöglich. Ich sehe da Handlungsbedarf bei der Stadt, das Anwerben neuer Ärztinnen und Ärzte in die Hand zu nehmen.

Es gibt hier ein Ärztehaus, das jetzt umgebaut werden soll, und da steht noch gar nicht fest, ob alle, die jetzt drin sind, überhaupt mitziehen. Das heißt, es könnten etliche auch wegziehen. Immer, wenn eine Medizinerin oder ein Mediziner wegfällt, hängen gleich tausende von Leuten in der Luft, was die Versorgung angeht.

Zusätzlich ist es mit dem öffentlichen Nahverkehr dann schwierig, diese Ärztinnen und Ärzte noch zu erreichen, selbst wenn sie nur einen Ort weiter gezogen sind, gerade für ältere Leute. Außerdem gibt es hier einen großen Mangel an Therapeutinnen und Therapeuten.

Frauenpolitik liegt mir ebenfalls besonders am Herzen.

UZ: Frauen sind von der Pandemie besonders hat getroffen. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Und welche Handlungsmöglichkeiten bietet die Kommunalpolitik, um die Folgen abzumildern?

Fiona Beyermann: Ich habe das Glück gehabt, dass ich keine persönliche Erfahrungen mit Gewalt oder Lohnausfall in der Pandemie machen musste. Ich weiß aber, dass Frauen überdurchschnittlich stark von Kurzarbeit betroffen sind, dass Frauen natürlich jetzt während der Pandemie noch stärker von häuslicher Gewalt betroffen sind und man eben weniger Leute trifft und so auch weniger die Chance hat, sich mit Freunden und Bekannten auszusprechen.

Frauen sind überdurchschnittlich mit der Betreuung von Kindern parallel zu ihrem Job, auch im Home-Office, belastet und erhalten dort kaum Unterstützung. Das ist gerade für alleinerziehende Frauen schwierig. Viele dieser Probleme kann die Kommunalpolitik nicht lösen.

Es ist auch schwierig, kommunalpolitisch zu sagen, man geht jetzt in Haushalte und verändert da etwas. Es muss aber Stellen geben wie beispielsweise unser Frauenbüro mit einer Gleichstellungsbeauftragten. Diese Stellen gilt es auszubauen und öffentlich besser zu bewerben. Aktuell sind diese nur mit erheblichem Aufwand zu finden und online nur mehr schlecht als recht vertreten. Auf jeden Fall müssen für Hilfesuchende diese Ansprechpartnerinnen bekannter gemacht werden.

UZ: Wie verhält sich das mit einem linken Anspruch? Du bist ja schließlich in der SDAJ und trittst auf einer DKP/Linken Liste an, nicht auf einer bürgerlichen Liste.

Fiona Beyermann: Parlamente, auch Stadtverordnetenversammlungen, können nur sehr begrenzt etwas verändern. Für uns ist diese aber, wie jedes andere „Parlament“ eine Bühne, auf der wir für uns und unsere Sache werben können, auf der wir die kleinen Probleme in der Stadt mit den großen Problemen im Land oder auf der Welt in Verbindung bringen können.

In der Kommune stehen für gewöhnlich nicht Forderungen nach der Enteignung und Verstaatlichung von Konzernen im Mittelpunkt. Wir weisen dann aber darauf hin, dass nur mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft – also nur dann, wenn wir den Wohnungsmarkt nicht mehr auf dem sogenannten „freien Markt“ verhandeln – Wohnungen für alle vorhanden und bezahlbar sein können. Wir stellen uns an die Seite der Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt, hören ihnen zu und bringen ihre Forderungen in die Stadtverordnetenversammlung ein, viel wichtiger aber, wir unterstützen sie auch außerparlamentarisch nach Kräften und schlagen dem bürgerlichen Staat und seinem Bürokratieapparat dabei immer wieder ein Schnippchen.

Kommunalpolitisch gibt es häufig einen großen Unterschied zwischen dem, was erlaubt ist, und dem, was möglich ist, dort arbeiten wir. Wir streiten für unsere Positionen, eben nicht nur im Parlament, sondern in unserer Nachbarschaft, in Bürgerinitiativen, in unseren Vierteln, kurz: in unserer Stadt.

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"Wir streiten nicht nur im Parlament", UZ vom 12. März 2021



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