Ein Gespräch über Kommunisten in der Bundeswehr

„Wir waren nie allein“

Die Bundesregierung will Deutschland „kriegstüchtig“ machen und die Wehrpflicht wieder einführen. Was macht man als junger Kommunist, der zur Bundeswehr eingezogen wird? Darüber sprach UZ mit Andreas Heine, der 1975 und 1976 als SDAJ-Mitglied im Arbeitskreis Demokratischer Soldaten (ADS) wirkte.

UZ: Was war der Arbeitskreis Demokratischer Soldaten?

Andreas Heine: Der ADS war ein Zusammenschluss von Jugendlichen, die Wehrdienst leisten mussten. Darunter waren Genossen aus der SDAJ. Dazu viele andere Jugendliche, die mit dem System Bundeswehr nicht einverstanden waren, die etwas gegen Repressalien und gegen schlechte Dienstverhältnisse ausrichten wollten. Wir haben uns in örtlichen Gruppen zusammengefunden und an vielen Standorten Soldatenzeitungen herausgegeben, die wir vor der Kaserne haben verteilen lassen, hauptsächlich von SDAJ-Mitgliedern.

UZ: Wie bist du im ADS aktiv geworden?

Andreas Heine: Ich war in der SDAJ aktiv, bevor ich zur Bundeswehr gekommen bin. Beim Militär habe ich sehr schnell gemerkt, was da läuft und wie man mit Kameraden ins Gespräch kommt, die ähnlich getickt haben wie wir.

Die SDAJ war damals deutlich stärker als heute. Wir waren nie allein. In allen Kasernen gab es Kontakte nach draußen zur SDAJ. Es gab auch in der Kaserne SDAJ-Mitglieder. Weil wir offen unsere Meinungen vertreten haben, hat sich relativ schnell eine Gruppe von Leuten gebildet, die mitgewirkt haben.

UZ: Welche Erfahrungen hast du als Kommunist in der Bundeswehr gemacht?

450502 Andreas Heine - „Wir waren nie allein“ - Andreas Heine, Arbeitskreis Demokratischer Soldaten, Bundeswehr, Friedenskampf, SDAJ, Wehrdienst - Politik
Andreas Heine

Andreas Heine: Ich habe insofern davon profitiert, als ich Verhältnisse von Repression, Entrechtlichung, Schleiferei und so weiter kennengelernt habe, die ich aus meiner Schulzeit in der Form nicht kannte. Das hat mich sicherlich vorangebracht in puncto Klassenbewusstsein oder überhaupt dem Bewusstsein, gegen unterdrückerische Systeme vorzugehen.

Mich hat vor allen Dingen bestärkt, dass wir nie alleine waren, dass wir immer in einer Gruppe vernünftige Dinge machen konnten, zum Beispiel den politischen Unterricht in der Kaserne gestalten. Bei mir kam noch dazu – das war vielleicht auch Glück –, dass in unserer Gruppe von 14 Wehrpflichtigen elf ehemalige Kriegsdienstverweigerer waren, die nicht als solche anerkannt worden waren, inklusive mir.

Ich hatte auch zunächst verweigert und bin dann zur Bundeswehr gegangen, nachdem ich zweimal von den Prüfungsausschüssen abgelehnt wurde. Es ist gut, wenn man Genossen und Gleichgesinnte um sich herum hat, mit denen man sich gemeinsam gegen bestimmte Dinge zur Wehr setzen kann.

UZ: Konntest du Dinge bewegen für deine Kollegen?

Andreas Heine: Nicht als Einzelperson. In der Funktion als gewählter Vertrauensmann konnte ich mit Vorgesetzten anders reden und mich für Erleichterungen im Dienst einsetzen. Zum Beispiel für Kameraden, die ungerecht behandelt wurden. Und wir haben versucht, über unsere Soldatenzeitung Skandale aufzudecken und Mechanismen von Ungerechtigkeit und Repression. Das wiederum hatte Einfluss auf die Vorgesetzten, die sich dann vielleicht manches nicht mehr trauten, was sie sich sonst herausgenommen hätten.

UZ: Sind die Kleinzeitungen von euren Kollegen gelesen worden?

Andreas Heine: Die sind sehr gerne gelesen worden. Die sind vor den Kasernen verteilt worden. Wie immer bei solchen Verteilaktionen nimmt nicht jeder eine Zeitung mit. Die allermeisten allerdings schon. Bis auf manche Dienstgrade, die uns beschimpft haben. Andere wiederum haben sie genommen, um zu erfahren, was die da unten bewegt. Wir haben Zeitungen auch in der Kaserne ausgelegt in Bereichen mit Publikumsverkehr.

UZ: Die Bundesregierung will die Wehrpflicht wieder einführen. Was würdest du jungen Kommunisten raten, die heute eingezogen würden?

Andreas Heine: Das ist eine schwierige Frage. Aus meiner Sicht ist es so: Wir hatten damals deutlich bessere Kampfbedingungen, weil die SDAJ ein Verband mit 20.000 Mitgliedern war. Heute kann man sich kaum in dieser organisierten Form zur Wehr setzen, sondern wäre in vielen Fällen sehr vereinzelt in der Kaserne.

Von daher kann ich nur dazu raten, den Kriegsdienst zu verweigern, um sich diesem System zu entziehen. Wenn sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern, wenn wir stärker werden, stellt sich die Frage vielleicht anders. Im Moment sehe ich kaum Möglichkeiten, da sinnvoll zu arbeiten. Wenn wir in Gruppen in der Armee vertreten wären, wäre es einfacher.

UZ: Angesichts faschistischer Netzwerke in der Bundeswehr und einem einschlägigen Skandal nach dem anderen stelle ich es mir nicht leicht vor, mit Rekruten ins Gespräch zu kommen.

Andreas Heine: Richtig. Faschisten gab es früher auch, aber das waren weniger, als es heute in der Bundeswehr gibt.

Früher war so: Es gab Kameraden, die nicht auf unserer Linie waren, aber nicht gemein zu uns. Die haben akzeptiert, wie wir waren. Ich kann mir vorstellen, dass heute Druck und Repression nicht nur seitens der Vorgesetzten, sondern auch aus der eigenen Gruppe kommen.

Vor 50 Jahren gab es auch noch keine Frauen in der Bundeswehr. Ich denke, dass sexualisierte Gewalt ihnen gegenüber heute ein gravierendes Problem ist.

UZ: Du bist aktiver Kommunist geblieben. Hast du aus deiner politischen Arbeit in der Bundeswehr Dinge mitgenommen, die dir heute noch nützen?

Andreas Heine: Ja. Das ist vielleicht vergleichbar mit gewerkschaftlicher Arbeit. Da lernt man ja auch, wie man mit Problemen umzugehen hat. Wie man nicht vereinzelt und dass man in einer Gruppe Gleichgesinnter mehr erreichen kann. Man lernt, sich über seine Rechte zu informieren und die kollektiv und in organisierter Form durchzusetzen.

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"„Wir waren nie allein“", UZ vom 7. November 2025



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