Union greift an, SPD und DGB beruhigen. Nur wenige benennen Ursachen des sozialen Kahlschlags

Zahl der Erwerbslosen wird weiter steigen

Die Meldung prägte das vergangene Wochenende: Die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen in Deutschland hat zum ersten Mal seit zehn Jahren die Grenze von drei Millionen überschritten. Die Bundesanstalt für Arbeit meldete für August einen Anstieg um 46.000 Menschen auf nunmehr 3,025 Millionen, die ohne Arbeit sind. Der Symbolwert dieser Nachricht, die die anhaltende ökonomische Krise des Landes wie ein Schlaglicht beleuchtet, bleibt allerdings hinter der wahren Dramatik zurück.

Zum einen wurde vor einem Jahrzehnt diese Grenze in einem Februar, also auch mit Blick auf die Belebung im Frühjahr, von oben, nicht von unten überschritten. Damals war sie ein Zeichen der Hoffnung auf zunehmende Beschäftigung, heute ist sie die Ankündigung auf noch mehr Kummer in den Familien und Wohnungen der abhängig Beschäftigten. Zum anderen erfasst sie wie üblich nicht diejenigen, die in irgendwelchen zweifelhaften „Fortbildungen“ oder Warteschleifen festhängen oder Jobs haben, von denen sie nicht leben können. Rechnet man sie hinzu, sind es mehr als 3,6 Millionen Menschen, die dringend einen Job suchen, um über die Runden zu kommen. Die offizielle Prozentzahl von nunmehr 6,4 Prozent Arbeitslosen wächst unter Einrechnung dieser Menschen auf rund 7 Prozent.

Auf der Pressekonferenz versuchte Andrea Nahles, einst SPD-Vorsitzende und Hoffnungsträgerin für höchste Regierungsämter, die Zahlen schönzureden. Immerhin sinke die Zahl der Personen in Kurzarbeit und das Amt registriere einen leichten Anstieg der Zahl der gemeldeten offenen Stellen. Dieses Pfeifen im Walde wird die Abwärtstendenz nicht umdrehen können. Denn diese August-Zahl ist nicht nur so schlecht wie seit zehn, sondern seit 15 Jahren – gerechnet eben auf einen Monat, der üblicherweise in der Gastronomie, in der Land- und Bauwirtschaft viele Hände braucht. Wenn auch sie in den nächsten Monaten wieder nach Hause und aufs Amt geschickt werden, wird die Zahl der Lohnarbeit Suchenden weiter steigen. Sie wird auch deshalb weiter steigen, weil die Industrie unentwegt weiter Leute entlässt und mehr und mehr Firmen in die Insolvenz gehen.

In den Reaktionen auf diese alarmierenden Zahlen zeichnen sich drei Lager ab. Da gibt es die Beschwichtiger vor allem in Kreisen der SPD und des DGB. Da sind die Scharfmacher in den rechten Medien und der größten Regierungspartei. Deren Kanzler Merz nimmt die Misere zum Anlass, um immer aggressiver vom „Sozialstaat, den wir uns nicht mehr leisten können“ zu schwadronieren. Und dann gibt es die noch zu wenigen, die auf die Ursachen dieser Misere verweisen. Sie drängen auf einen grundlegenden Kurswechsel zu Kooperation statt Konfrontation in der Außenpolitik. Nach innen fordern sie, endlich an die Profite der Reichen zu gehen und die Wirtschaftspolitik unter das Primat des Nutzens für die Menschen zu stellen – statt die Kriegsvorbereitung weiterzutreiben.

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"Zahl der Erwerbslosen wird weiter steigen", UZ vom 5. September 2025



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