Zur Dialektik unserer Strategie

Von Roman Stelzig, Leipzig

Wie in der Diskussion in der DKP mehrfach richtig dargestellt wurde, besteht die Aufgabe einer Kommunistischen Partei darin, die Strategie und Taktik zu entwickeln, um die Arbeiterklasse aus ihrem unbewussten Dasein heraus in die sozialistische Revolution zu führen. In diesem Sinne antwortete Rosa Luxemburg Eduard Bernstein auf seine Formel – „Das Ziel ist mir nichts, die Bewegung alles“ – mit den Worten: „Die Eroberung der politischen Macht bleibt das Endziel, und das Endziel bleibt die Seele des Kampfes.“

Zugleich nannten Karl Marx und Friedrich Engels aber in der deutschen Ideologie „den Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“. Ist das ein Widerspruch? Natürlich! Ein dialektischer. Weder Karl Marx noch Friedrich Engels noch Rosa Luxemburg haben die „wirkliche Bewegung“ und das „Endziel“ einseitig gegenübergestellt, sondern beide stets in einen Zusammenhang gebracht.

Dass uns dies heute bei der Behandlung unserer politischen Probleme sehr schlecht gelingt, scheint mir ein Grund zu sein für die tiefen Zerwürfnisse in unserer Partei. Über die Ziele unserer Bewegung, die Formen des Übergangs zum Sozialismus und die allgemeinen Grundsätze unserer Strategie wird in sehr abstrakter Form gestritten. Ihnen gegenüber stehen unterschiedliche Erfahrungen der „wirklichen Bewegung“, die entweder kaum betrachtet oder zu einseitigen Schlussfolgerung verallgemeinert werden.

Die schwierige Aufgabe, den Zusammenhang zwischen „wirklicher Bewegung“ und dem „Endziel“ in der Gestaltung unserer Strategie und Taktik herzustellen, leistet auch der Leitantrag des Parteivorstandes nicht. Insofern ich einen Versuch dazu suche, finde ich ihn im letzten Absatz: „Die DKP ist heute zu schwach und zu wenig in der Klasse verankert. Deshalb ist der Kampf um die Reorganisation und Stärkung der DKP von entscheidender Bedeutung.“

Nur hätte diese Feststellung nicht den Schluss, sondern den Ausgangspunkt der Erarbeitung einer Strategie und Taktik bilden müssen. Und das Quäntchen Pessimismus, das die Einsicht enthält, dass wir uns reorganisieren müssen, genügt nicht, um die „wirkliche Bewegung“ abzubilden. Dazu gehört aus meiner Sicht – und wie ich viele Debattenbeiträge verstehe –, die verschiedenen und gegensätzlichen Erfahrungen aufzugreifen, die unsere Genossen in ihrer politischen Arbeit machen.

Es gehört wenig Gespür dazu, festzustellen, dass antimonopolistische Bündnisarbeit ein bestimmtes Maß an Organisation und eine gewisse Anzahl Mitglieder vor Ort erfordert und dass diese Voraussetzungen zunächst geschaffen werden müssen – auch wenn das bedeutet, sich zunächst nur an Arbeiter und keine anderen antimonopolistischen Schichten zu wenden. Ebenso einsichtig ist es, dass eine Parteigruppe, die über Abgeordnete in kommunalen Parlamenten verfügt, aber sonst keine anderweitigen Strukturen besitzt, „zivilgesellschaftliche Gestaltungsspielräume“ ausnutzt, auch wenn das wiederum bedeutet, dass die Grenzen des Kapitalismus und sein politischer Rahmen dabei nicht überschritten werden. Und: Soll man nun in einem Zustand der Reorganisation beide Handlungsoptionen beschneiden und beiden die gleiche politische Orientierung auferlegen?

Das erste ist aus meiner Sicht Unsinn, das zweite eine Frage des richtigen Verhältnisses von Strategie und Taktik. Was nicht gleich ist, kann auch nicht gleich behandelt werden, aber das heißt nicht, dass verschiedene Dinge nicht etwas Gemeinsames enthalten können. Wie bereits geschrieben: Die gegensätzlichen Erscheinungen der „wirklichen Bewegung“ dürfen nicht einseitig verallgemeinert werden, wie die allgemeine (antimonopolistische) Strategie nicht abstrakt, sondern in den Formen ihrer Ausgestaltung unter verschiedenen Bedingungen entwickelt werden muss.

Ich halte daher eine Analyse des Zustandes unserer Partei hinsichtlich des Organisationsgrades, der Zusammensetzung oder der politischen Arbeit ihrer Organisationen für notwendig. Nur so lassen sich ihre Meinungsverschiedenheiten als Ausdruck einer sehr verschiedenen Praxis begreifen. Der Parteitag sollte den Leitantrag und den Unvereinbarkeitsbeschluss nicht verabschieden – sondern einen Beschluss fassen, dass eine solche Analyse erarbeitet wird und als Grundlage einer Strategieentwicklung dient, die die Debatte um den Leitantrag aufnimmt, aber auf die Praxis unserer Partei bezieht und von daher unserer Strategie und ihre unterschiedlichen (und gegensätzlichen) Formen der Taktik entwickelt.

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"Zur Dialektik unserer Strategie", UZ vom 1. Dezember 2017



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