Vorwärts nimmer, rückwärts immer: Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die drei im Niedergang begriffenen Mächte Westeuropas, haben im Atomkonflikt mit Iran den sogenannten „Snapback“ ausgelöst. Damit haben sie die Voraussetzungen dafür geschaffen, die UN-Sanktionen, die 2006 bis 2010 gegen das Land verhängt worden waren, wieder in Kraft zu setzen. Die Sanktionen waren mit dem Atomabkommen aus dem Jahr 2015 ausgesetzt worden. Innerhalb von 30 Tagen nach dem Auslösen des „Snapbacks“ müssen die Vertragsstaaten nun entscheiden, ob sie die Aussetzung verlängern. Ein einziges Nein reicht aus, um das zu verhindern und die alten UN-Sanktionen zurückzubringen. Berlin, Paris und London halten jetzt also die Entscheidung darüber in der Hand.
Das Auslösen des „Snapbacks“ ist folgenreich – und zugleich der verzweifelte Versuch der westeuropäischen Mächte, im Atomkonflikt mit Iran verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. Als in den Vereinigten Staaten noch Präsident Joe Biden regierte, hegten einige in Teheran die Hoffnung, Deutschland, Frankreich und Großbritannien könnten als enge Verbündete der USA zumindest punktuell zwischen diesen und Iran vermitteln. Unter Donald Trump kann man jeden Gedanken daran vergessen. „Die Europäer“ seien zu einer Tätigkeit als Vermittler zwischen Teheran und Washington nicht mehr „in der Lage“, konstatierte Irans stellvertretender Außenminister Saeed Khatibzadeh. Für Teheran verlören sie damit „zunehmend an Bedeutung“.
In gewisser Weise liegt der Machtverlust der westeuropäischen Mächte schon seit längerer Zeit im Trend. Dass die USA im Jahr 2018 aus dem Atomvertrag ausstiegen und Sanktionen gegen Iran verhängten, hat die westorientierte Fraktion im iranischen Establishment ebenso geschwächt wie die Tatsache, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihr Iran-Geschäft nicht gegen die US-Sanktionen behaupten konnten. Irans ostorientierte Fraktion – diejenigen, die für eine Ausrichtung auf Russland und China statt auf Westeuropa und die USA plädieren –, gewann an Gewicht. Die US-Unterstützung für Israel in seinem Krieg gegen Iran und die US-Angriffe auf die iranischen Atomanlagen haben den Trend ebenso verstärkt wie der deutsch-französisch-britische Beifall für die israelischen Bombardements; Merz’ Vokabel „Drecksarbeit“ ist unvergessen. Zahlreiche Beobachter urteilen, Teherans westorientierte Fraktion sei damit endgültig ausgeknockt.
Allerdings bleiben Widersprüche. Nicht wenige in Iran seien der Ansicht, Russland habe „Iran während des Zwölftagekriegs nicht ausreichend unterstützt“, berichtete vor Kurzem Hamid Talebian, Iranexperte des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Und in der Tat – von praktischer Rückendeckung aus Moskau für Teheran war während des Kriegs nicht viel zu hören. Manche wollen in der Tatsache, dass Iran jetzt neue Kampfjets in China kaufen will – die J-10C, mit der Pakistan im Mai überraschende Erfolge gegen die Rafale-Jets der indischen Luftwaffe erzielte –, eine noch stärkere Ausrichtung auf die Volksrepublik erkennen. Kann Teheran allerdings wirklich darauf verzichten, mit den USA zu verhandeln? Ganz klar ist das nicht.
Klar ist allerdings: Verhandlungen mit „Europäern“, die weder Einfluss in den USA haben noch ihre eigene Iran-Politik gegen Washington durchsetzen können, nützen Teheran nichts; aus seiner Sicht sind Berlin, Paris und London nutz-, also bedeutungslos geworden. Der „Snapback“ ist das letzte Mittel der „Europäer“, sich noch einmal kräftig aufzuplustern. Verpufft dies, dann verfällt ihr Einfluss im Atomkonflikt mit Iran komplett.