Eine Broschüre zur Spartakiadebewegung

„Als Spartacus in die DDR kam“

Von KH/UZ

Von Interessenten wieder zu bestellen beim Vorsitzenden des Vereins für Sport und Gesellschaft e. V.

Hasso Hettrich

Triftstr. 34

15370 Petershagen

3,50 Euro

Auch weil die Ankündigung der Broschüre „Der endlose Politfeldzug gegen den DDR-Sport“ unter den UZ-Lesern ein so enormes Echo fand, zauderte ich nicht, auch die nächste Broschüre des Vereins „Sport und Gesellschaft e. V.“ hier zu empfehlen. Der Anlass, bei dem sie Premiere hatte, wird man auch in Leserkreisen nicht negieren wie betrüblich er auch sein mag: 25. Jahrestag des Abschieds von der DDR.

Klaus Ullrich Huhn wählte wieder ein Thema, das viele Sportanhänger interessieren wird: Die Spartakiaden in der DDR.

Er macht auch kein Hehl daraus, dass ausnahmsweise diejenigen Recht haben, die gern behaupten, die Partei habe sich in vieles gemengt. Nämlich auch in die Spartakiadekomitees. Der zweite SED-Kreissekretär fungierte nämlich in der Regel als Vorsitzender und hatte die maßgeblichen Männer an seinen Tisch geladen: Die Chefs der Konsumgenossenschaft und der HO. Die sicherten nämlich die Versorgung der Teilnehmer in den Gaststätten, von denen einige an diesem Tag für die Bevölkerung geschlossen waren. Der Kreissportarzt traf alle medizinischen Maßnahmen und mobilisierte rechtzeitig das Kreiskrankenhaus. Der Chef der Volkspolizei sorgte dafür, dass kein Verkehrschaos entstand, wenn ein Marathon in der Kreisstadt gelaufen wurde. Der Kreisschulrat fehlte auch nie und erst recht nicht der DTSB-Chef. Es wurden auch unendlich viel Kampfrichter gebraucht, oft fand man die in den Altersheimen.

Und wo schliefen die Spartakiadeteilnehmer? Bei Familien, die sich freiwillig gemeldet hatten, und ihre Gäste verwöhnten.

Zur Illustration einige knappe Episoden: Der Skispringer Dieter Neuendorf, berühmt geworden durch seinen Sieg am legendären Osloer Holmenkollen, marschierte an der Spitze von Thüringer Spartakiadeteilnehmern auf den Inselsberg, wo die Volksarmee in einer Feldküche Erbsensuppe gekocht hatte.

Der sonst meist strahlende zweifache Radweltmeister Täve Schur war mit seinen vier Schützlingen unzufrieden, denn sie waren nur Zwölfte geworden. Die anderen Übungsleiter strahlten.

Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark waren zu wenig Starter bei den Leichtathleten. Eine Kampfrichterin brachte ihren Mann mit. Die Teilnehmer hatten ihn noch nie gesehen und fragten: „Was macht er denn sonst?“ Die Frau teilte ihnen mit: „Auch Geräusche!“ Fragende Gesichter. Sie: „Ist Musiker im Orchester der Komischen Oper!“

Aus Löbau war ein Junge mit seinem Rennschlitten gekommen. Im Koffer drei Gold- und eine Silbermedaille. In Oberhof suchte er die drei in Grenoble um ihre Medaillen betrogenen DDR-Rodlerinnen und schenkte ihnen seine Medaillen.

Für die 107 Pferde, die aus allen Bezirken für die Reitwettbewerbe zur Spartakiade kamen, mussten 450 Zentner Futter angefahren werden: Hafer, Heu und Stroh.

Zehn Sportschützen hatten Quartier im modernen Feierabendheim „Martha Arendsee“ in der Berliner Hans-Beimler-Straße bezogen. „Ruhige liebe Gäste, die auf uns Alte Rücksicht nahmen“, bezeugte der 79-jährige Hermann Tadeuszak, „und wir waren froh, dass mal wieder richtig Leben in unsere Bude kam.“

Das Schülerfinale im Fußball pfiff der Schiedsrichter Rudi Glöckner exakt 35 Tage nachdem er im Azteken-Stadion in Mexiko-Stadt das Endspiel um die Fußball Weltmeisterschaft geleitet hatte.

Zu den Olympiasiegern, die Schützlinge bei der Spartakiade 1972 in Berlin betreuten, gehörte auch Ingrid Gulbin: dreimal Gold und einmal Silber im Wasserspringen in Rom und Tokio. Jeden Abend brachte sie die Knirpse zu den „Spartakiade-Eltern“. Als eines Abends der Letzten Wehmut-Tränen in den Augen standen, hockte sie sich neben das Bett bis sie eingeschlafen war.

Den bewundernswertesten aller Übungsleiter traf man bei den Ringern: Erich Rochler, 76 Jahre alt, einst Freund und Kampfgefährte Werner Seelenbinders. Von ihm wollten die Steppkes alles über Seelenbinders legendären Hüftwurf wissen. Er zeigte ihn ihnen.

Kaum jemand hat die Spartakiaden so gründlich analysiert wie Ulli Wille: Die durch die Pionierspartakiaden gewonnenen Erfahrungen führten im Jahr 1964 zu der Idee, einer Wettkampfform, die sportartenübergreifend möglichst alle Kinder und Jugendlichen der DDR begeisterte. Der DTSB, das Ministerium für Volksbildung, der Jugendverband, die FDJ und die Pionierorganisation übernahmen die Organisation. Die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen konnte für eine regelmäßige sportliche Betätigung gewonnen werden. Bereits die ersten Spartakiaden 1965 in den Kreisen waren ein voller Erfolg: 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche beteiligten sich an den Vorwettkämpfen.

Und noch zwei Sätze des langjährigen IOC-Präsidenten Avery Brundage (USA): „In der Tat sind Kinder und Jugendspartakiaden die echte Grundlage für die Olympischen Spiele. Diese hervorragenden Sportveranstaltungen sollten für andere NOK beispielgebend sein!“

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"„Als Spartacus in die DDR kam“", UZ vom 2. Oktober 2015



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