Veranstaltung der DKP-Grundorganisation Textilarbeiter in Lauchhammer zieht über 60 Leute an

An der Zukunft weben

Viola Schmidt, Hermann Glaser-Baur

Zum dritten Mal in Folge war die Leinenweberei von Marion Baur bis zum Rand gefüllt. Die „ganz andere Modenschau“ mit drei Models aus dem Ort zeigte die neue Kollektion der Weberin und zahlreiche Unikate anderer Designer. Sie wurde von Eva Petermann aus dem fränkischen Hof sehr kompetent moderiert. Neben der Vorstellung der neuen Kreationen, meist aus reinem Leinen, gab sie immer wieder tiefen Einblick in die Situation der Textilindustrie, nicht nur mit beißender Kritik an den kapitalistischen Großproduzenten, sondern auch mit Blick auf Alternativen. Dabei spielt die mittlerweile weltweit operierende Kampagne für saubere Bekleidung (CCC) eine große Rolle. Eva verwies u. a. auf deren Aktionen beim Berlin-Marathon und anderen großen Sportveranstaltungen. Damit soll Sportbekleidungs-Gigant Adidas unter Druck gesetzt werden, endlich Mindestlohn an seine Arbeiter zu zahlen.

Nach der alternativen Modenschau und zahlreichen Diskussionen zur Textilindustrie trug die ausgezeichnete Küchenbrigade Essen für alle Gäste auf – alle Speisen waren selbst gekocht, alle Backwaren kamen aus dem eigenen Ofen. Mehrere Bio-Gärtner aus Lauchhammer lieferten die erstklassigen Rohmaterialien.

Wie bei allen öffentlichen Veranstaltungen der „Textilen“, wie die DKP-Grundorganisation Textilarbeiter hier gerne genannt wird, war auch diesmal exklusive Musik angesagt. Neben der ortsansässigen Band Crossing Lifelines stand Isabel Neuenfeldt auf dem Programm – und im Mittelpunkt.

Ihr Auftritt entwickelte eine Eigendynamik, die selbst von eingefleischten und teilweise weit angereisten Fans der Berliner Ausnahmekünstlerin als „Das Beste, was wir je erlebten…“ bezeichnet wurde.

Sie trat solo und wie immer nur von Fredo, ihrem Akkordeon, begleitet auf. „Ordinary Man“ des Iren Christie Moore eröffnete ein musikalisches Feuerwerk und politisches Auf-den-Punkt-bringen des Heute. Ihre Werkzeuge dazu waren meist Lieder von Gestern. Denen verlieh sie mit ihren großartigen, als Sprechgesang vorgetragenen Eigenübersetzungen neue Aktualität und Verständlichkeit für nicht Englisch, Spanisch, Griechisch… sprechende Zuhörer.

„Joe Hill“, ein amerikanisches Kupferbergarbeiterlied, wird von ihr ins Jetzt befördert, steht als Schlüssel für die Möglichkeit, sich erfolgreich gegen die Grausamkeiten der Herrschenden zur Wehr zu setzen.

John Lennons „Imagine“ nahm die Anwesenden im Sturm mit in eine Welt ohne Besitz(gier), ohne Himmel und Hölle, ohne Krieg, und zwar jetzt und hier, wo wir es so sehr brauchen. „It’s easy if you try – es ist nicht schwer, wenn du es nur versuchst…“

Höhepunkt des Konzerts war „Belfast Mill“. Sämtliche Anwesenden sangen dieses aus den USA stammende Lied mit, das den Niedergang der Textilindustrie in Irland und anderswo beklagt. Selbst die Künstlerin war überrascht: „Großartiges Publikum hier in Lauchhammer“, fand sie.

Marion Baur, Weberin und Vorsitzende der Grundeinheit Textilarbeiter, hatte lange vor dem 22. September die Aufgabe, für Isabel Neuenfeldt Konzerte zu organisieren, darunter den bis heute unvergessenen Auftritt vor den Belfaster Arbeitern, die die Werft Harland & Wolff besetzten, um sie vor der Schließung zu retten (erfolgreich übrigens). Sie sagte: „Wir hatten Isa viermal in Irland, stets mit sehr guten Konzerten. Der Abend in Brandenburg war in mehr als einer Hinsicht die Krönung dessen, was ich von ihr erlebte. Mit unglaublicher Energie, bis zur Erschöpfung und ohne Pause singend, nahm sie das Publikum mit, ihr Jetzt-erst-recht-Positivismus war wie Elektrizität in einer Zeit, wo positives Denken und Handeln so bitter nötig ist.“

Als sie im Zugabenteil die deutsche Version von „Brot und Rosen“ vortrug, war das eine Hommage an die Textilarbeiterinnen hier. Ich habe Tränen gesehen – nicht aus Trauer, aus Freude über dieses großartige Konzert.

Die Vorsitzende der GO Textilarbeiter, Marion Baur, sagte: „Viele Leute aus unserem weiteren Umfeld finden die Anziehungskraft unserer Veranstaltungen erstaunlich. Mich überrascht das nicht: Wir sagen die Dinge, wie sie sind, lügen die Leute nicht an. Außerdem gehen wir mit all unserer Kraft auf die arbeitenden Menschen zu. Bei uns ist es nicht verpönt, Arbeiter zu sein, im Gegenteil. Das, im Zusammenhang mit unserem sehr sorgfältig ausgewählten Kulturangebot, zahlt sich aus. Wir sind jetzt auf einem sehr guten Weg, diese Angesagtheit auch zählbar für die Partei zu nutzen.“

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