In Südafrika steht eine schwierige Regierungsbildung bevor

ANC in der Zwickmühle

Noch kurz vor dem Wahltag am 29. Mai äußerte sich die Führung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) zuversichtlich, dass ihre Partei mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten würde. Das war Fassade, jeder wusste, dass die Partei von den Wählern abgestraft werden würde. Bei einer Wahlbeteiligung von nur noch 58 Prozent gegenüber 66 Prozent bei der letzten Wahl 2019 verlor die Partei Nelson Mandelas die absolute Mehrheit und kam gerade noch auf 40,2 Prozent der Stimmen. Sie bleibt damit die stärkste Partei im 400 Sitze zählenden Parlament.

Ihr Generalsekretär, Fikile Mbalula, räumt ein: „Haben wir Fehler gemacht? Ja, das haben wir. In der Regierungsführung und überall sonst. Das Ergebnis ist eine deutliche Botschaft an den ANC. Wir wollen dem südafrikanischen Volk versichern, dass wir seine Sorgen, seine Frustrationen und seine Unzufriedenheit wahrgenommen haben.“ Die größte Oppositionspartei, die neoliberale Demokratische Allianz (DA), vereinte bei geringen Zugewinnen 21,79 Prozent der Stimmen auf sich. Sie erklärte, ihr Wahlziel erreicht zu haben, weil es gelungen sei, den ANC unter 50 Prozent zu drücken. Die erst vor wenigen Monaten gegründete Partei Umkhonto weSizwe (MK) des korrupten Ex-Präsidenten Jacob Zuma, die den Namen des bewaffneten Arms des Widerstands gegen die Apartheid für sich missbraucht, kam aus dem Stand auf 14,6 Prozent, während die linksradikale ANC-Abspaltung Economic Freedom Fighters (EFF) 9,5 Prozent erzielte. Die Gründe für den schweren Schlag für den ANC liegen auf der Hand. Zahlreiche Korruptionsskandale, in die Parteifunktionäre verwickelt sind, und die Vereinnahmung des Staates unter Jacob Zuma haben das Vertrauen der Bevölkerung untergraben. In der zweitgrößten Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents nehmen Armut und Ungleichheit zu, ein Drittel der Menschen im arbeitsfähigen Alter sind arbeitslos. Die höchsten Wachstumsraten erzielt die Kriminalität. Ferner als je in den letzten 30 Jahren scheint das Versprechen des ANC auf Bildung, Wohnraum und Grundversorgung für alle. Der ANC ist in seiner Allianz mit dem Gewerkschaftsverband Cosatu und der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) jetzt gezwungen, entweder eine Minderheitsregierung zu bilden oder einen Koalitionspartner zu finden. Der ANC gibt zwar an, für Gespräche offen zu sein, hat aber bereits eine rote Linie gezogen: Auch der nächste Präsident soll Cyril Ramaphosa heißen. „Voraussetzung ist, dass eine Koalition vom ANC und Präsident Ramaphosa angeführt wird“, haben Matthew Parks, der Sprecher des mächtigen Gewerkschaftsbundes Cosatu, und die Führung der SACP bereits mitgeteilt.

Naheliegend wären Verhandlungen mit der Demokratischen Allianz. Doch werden die Partner Cosatu und SACP die dazu notwendigen innen- und außenpolitischen Kompromisse mit den Neoliberalen kaum mittragen wollen. Die DA opponiert gegen die aus ihrer Sicht geichmacherische Nationale Gesundheitsversicherung, gegen die „positive Diskriminierung“, die vor allem schwarze Frauen bevorzugt, das Programm „Black Economic Empowerment“ für wirtschaftliche Chancengleichheit vormals Benachteiligter und andere politische Maßnahmen. Außenpolitisch ist der ANC solidarisch mit den Palästinensern, während die DA Israel unterstützt.

Eine Zusammenarbeit mit MK ist undenkbar, da Jacob Zumas einziges Interesse zu sein scheint, seiner ehemaligen Partei zu schaden. Und eine Regierungsbildung zusammen mit den EFF würde rechnerisch nicht zu einer Parlamentsmehrheit führen. So ist die politische Zukunft Südafrikas erst einmal offen.

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"ANC in der Zwickmühle", UZ vom 7. Juni 2024



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