Wie das ZDF aus einem guten Krimi einen üblichen Film macht

Chance vertan

Von Herbert Becker

Es gibt Romane, denen man beim Lesen schon deutlich anmerkt, dass für sie eine Verfilmung nicht nur gewünscht wird, sondern von Anfang an geplant ist. Einer der erfolgreichsten in dieser Verwertungsschiene ist John Grisham, alle seine Bücher wurden sehr schnell nach Erscheinen zu Hollywood-Filmen. War auch ganz leicht, denn der Plot, die handelnden Personen, die Dialoge, die Abläufe, alles ist so konstruiert, dass Drehbuchschreiber wenig Arbeit hatten und haben.

Viel mehr Arbeit steht bevor, wenn man einen Kriminalroman von Wolfgang Schorlau verfilmen will, er versteht seine Texte als Aufklärungsliteratur, er will einen gesellschaftlichen Sachverhalt nicht nur ein wenig als Hintergrundrauschen darstellen, er will mit einer Fülle von Informationen und Fakten, mit Dokumenten und Links erklären. Sein Krimi-Plot ist ein wenig aufregend, seine Hauptfigur Dengler sympathisch, aber kein James Bond. Schorlau geht mit der Absicht an seine Arbeit, zu unterhalten, aber dabei den Blick des Lesers auf Vorgänge, Vorfälle zu richten, die nicht nur seiner Meinung nach nicht in Ordnung sind.

Der auf Seite 11 dieser Ausgabe vorgestellte Krimi erschien zwar schon 2006, damals sehr aktuell, es ging um Privatisierungen, hier im Besonderen um die Wasserversorgung. Warum es erst jetzt zu einer Verfilmung kam, ist im Rat der Götter des ZDF ohne eine Begründung entschieden worden. Lars Kraume, als Drehbuchschreiber und Regisseur vielmals tätig, zeichnet für das Drehbuch verantwortlich. Das ZDF verlegt den Schauplatz nach Griechenland. Das ist schlüssig, wenn man die Handlung nach Hier und Heute verlegt, schließlich verlangt die Troika von der griechischen Regierung das Staatseigentum zu verscherbeln. Die Wassergewinnung und die Versorgung des Landes mit Trinkwasser gehört dazu. Und in der BRD wird das Thema Privatisierung möglichst klein gehalten und mit vielen schön-scheußlichen Worten zugedeckt.

Weshalb zwar deutsche Abgeordnete noch eine Rolle spielen, auch ein „Beratungsunternehmen“ mit Sitz in Berlin den Bösen gibt, aber politische Diskussionen und Auseinandersetzungen um die Wasserversorgung hier bei uns gibt es auch aktuell. Erinnert sei an den „Berliner Wassertisch“, der sich gegen Privatisierungspläne des Senats stemmte, für den Rückkauf zahlt das Land Berlin bis 2044 viele Millionen an den Energieriesen RWE. Erinnert sei auch an Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach seit 2005 die Wasserpreise um durchschnittlich 25 Prozent gestiegen sind. Der Film hätte ganz gut im Lande spielen können, wie der Roman. Im Film liegt der Fokus ganz auf Dengler, den Ronald Zehrfeld als einsamen Wolf gibt, nur unterstützt von der schönen Hackerin Olga. Birgit Minichmayr ist eine kongeniale Verkörperung dieser Figur. Dass ausgerechnet das BKA im Film dafür sorgt, die offensichtlichen Anstifter für Korruption und Bestechung festzunehmen, geht an unserer Wahrnehmung eher vorbei. Während es im Roman gerade mal zwei Tote gibt, braucht der Film viel Action, eine prächtige Kulisse, jede Menge Schüsse und Explosionen und ein paar Tote mehr. Für Freunde mittelprächtig kritischer Krimis bietet der Fernsehfilm sicher gelungene Unterhaltung. Erkenntnisse, die der Leser von „Fremde Wasser“ gewinnt, kann der Zuschauer nicht erlangen. Die „ewige“ Antwort von Billy Wilder zur Frage, was einen guten Film ausmache, dreimal betont: „Ein gutes Drehbuch“, wurde von der ZDF-Redaktion nicht zum Maßstab der eigenen Arbeit gemacht. Staatstragend eben.

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Chance vertan", UZ vom 18. Mai 2018



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