Das Militär als größter Umweltverschmutzer spielt auf der UN-Klimakonferenz in Dubai keine Rolle

COP 28 gefährdet das Klima

Bernhard Trautvetter

Bis zum 12. Dezember tagt die UN-Weltklimakonferenz COP 28 (Conference of Partners) in Dubai. Sie führt die Schaufenster-Inszenierung der Weltklimakonferenzen fort.

Mit führenden Kräften der fossilen Energiebranche verhandeln Hauptverursacher der immer massiveren Klima- und Umweltschädigungen laut der Konferenz-Website über „Anpassung und Widerstandsfähigkeit“. Das 2015 in Paris festgelegte Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 2 Grad Celsius zu begrenzen, tritt hinter die bloße Anpassung an die Klimaveränderungen zurück. Die Abwendung eines drohenden Klimakollapses ist somit allen Sonntagsreden zum Trotz kein primäres Vorhaben der Konferenz.

Die „Tagesschau“ fasste am 20. März dieses Jahres zusammen: „Weltweit leben bis zu 3,6 Milliarden Menschen in Gegenden, die durch den Klimawandel stark gefährdet sind – besonders in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika, auf kleinen Inseln und in der Arktis. An Überschwemmungen, Dürren, Ernährungskrisen und Wasserknappheit leiden insbesondere Menschen in den am wenigsten wirtschaftlich entwickelten Ländern.“

Die Agenda der Klimakonferenz offenbart, dass die für Klima- und Umweltschutz verantwortlichen Akteure in der UNO, den Staaten und Konzernen vor der Größe der Aufgabe offensichtlich resigniert haben, obwohl Experten bekunden, die Menschheit könne noch handeln.

Laut den offiziellen Zielen der COP 28 sollen „bis zur Mitte des Jahrhunderts die klimaschädlichen Emissionen auf null vermindert und das sogenannte ‚Net Zero‘ erreicht“ werden. Dazu gehöre, dass die Vertragsstaaten ihr Versprechen wahr machten und 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellten. Der Globale Süden könne die Kosten für diese Transformation nicht selbst aufbringen. Deshalb gehe es in Dubai stark um das Thema Finanzierung, insbesondere um Anpassungsfinanzierung.

Hilfen für die Staaten des Globalen Südens so in den Vordergrund zu stellen bedeutet, dass die Bekämpfung der Emissionen, die vor allem in den industrialisierten Staaten des Nordens entstehen, nachrangig behandelt wird. Das ist skandalös, aber nicht überraschend. Die Vereinigte Arabische Emirate, die zur COP 28 einlädt, ist der drittgrößte Ölproduzent der Welt und rangiert in der Liste der am Erdgas-Geschäft beteiligten Staaten auf Platz sieben.

Konferenzpräsident der COP 28 ist Sultan Al Jaber, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied von ADNOC, einem der größten Ölkonzerne der Welt. „Mit dieser Ernennung senden Sie gerade die Botschaft, dass die Ölindustrie hier das Sagen hat“, so der ehemalige Verhandlungsführer aus Panama, Monterrey. Al Jabers Führungsposten in der fossilen Industrie hängt schließlich davon ab, dass er die Interessen seines Konzerns vertritt.

Unter den Sponsoren der Konferenz sind Banken wie die US-amerikanische Großbank Bank of America, Energiekonzerne wie Siemens, der IT-Konzern IBM und Wirtschaftsprüfer und -berater wie Ernst and Young. Hier geht es nicht um die Abwendung eines weltweiten Klima-Kollapses, sondern darum, die Öffentlichkeit abzulenken und bestimmte Akteure weiß- oder grünzuwaschen.

Ein weiterer entscheidender Verursacher von Klima- und Umweltschäden wird völlig aus dem Fokus der Umweltpolitik gehalten: das Militär. Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ schrieb bereits Ende 2022: „Fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen könnten von Streitkräften stammen, doch genaue Zahlen gibt es nicht. Das muss sich dringend ändern, sagen Forschende.“ Die genannten 5 Prozent sind die niedrigste Zahl in den wenigen Veröffentlichungen zum Anteil des Militärsektors an den globalen Klimaschädigungen. Der Militär-Lobby vor allem der USA und NATO-Staaten gelingt es, die militärischen Emissionen aus den Klimaberichten der Staaten herauszuhalten. Diese Verheimlichung begründen einflussreiche Unterstützer des Militärs in der US-Politik damit, die Einbeziehung des Militärs in die Klima-Bilanzen würde „die amerikanischen Militäroperationen auf der ganzen Welt behindern“.

Ohne die Berücksichtigung der Waffenproduktion, der Emissionen im Verlauf von Gefechten und deren Folgen für die Umwelt, ohne die Klimaschädigung bei der Herstellung von Dual-Use-Produkten sowie der weiteren versteckten Belastungen etwa in der militärischen Forschung bemessen die meisten Studien zum Thema die vom Militärsektor verursachten Klimaschädigungen auf über 6 Prozent der weltweiten Emissionen. Das ist fast das Doppelte der der zivilen Luftfahrt.

Der CO2-Ausstoß des Autoverkehrs beläuft sich global auf circa 9 Prozent. Dieser Sektor der Klimaschädigung kommt im öffentlichen Diskurs vor, anders als der der Militärs. Er lässt sich nämlich dafür nutzen, die Menschen von Zusammenhängen abzulenken und sie auf individuelle statt gesellschaftliche Reaktionen auf die Gefahren zu orientieren, etwa auf den Umstieg auf E-Autos als Beitrag zur Abwendung der globalen Katastrophe. Die Wikipedia-Seite zu den größten CO2-Emittenten macht diese Vernebelung der Wahrnehmung exemplarisch deutlich: Die Liste der Staaten wird dort ergänzt durch Sektoren, explizit Energie, Landwirtschaft, Industrie und Abfall. Der Militärsektor als Hauptschädiger der Ökologie der Erde fehlt.

Interessen der fossilen und militärischen Großkonzerne verhindern in nahezu allen Bereichen der internationalen Politik die Umsetzung der Klimabeschlüsse von Kyoto und Paris.

Die Organisatoren der Konferenz vertuschen die wesentlichen Ursachen der Klimaschädigung. Statt den stetig wachsenden Kontrollverlust der Menschheit zu stoppen, statt auf die Zunahme von Trockenheit, Fluten, Stürmen, Wasserversorgungs- und Nahrungsmittelkrisen zu reagieren und Schlimmeres zu verhindern, planen die Verantwortlichen der COP 28 prioritär die Anpassung der Menschheit an die Konsequenzen der klimatischen Katastrophen.

Es braucht Aufklärung über die Heuchelei und den Zynismus, wenn Verantwortliche in Staat und Wirtschaft von ‚Demokratie‘, ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Menschenrechten‘ sprechen, während sie ganz offensichtlich das Gegenteil praktizieren.

Der Zusammenhang zwischen Militärstrategie und Nutzung fossiler Energien wird in der US- und NATO-Globalstrategie deutlich. Die USA und Deutschland begannen in ihrem Bemühen um Einfluss in der Region Kriege in Afghanistan und Irak und realisierten Milliarden-Deals mit Rüstungsgütern mit Golfstaaten. Über Olaf Scholz’ Reise in die Golfregion berichtete die „Tagesschau“ unter der Überschrift „Erst Geschäft, dann Menschenrechte“. Deren Ressourcen wecken nämlich Interesse: „Die Erdölproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate belief sich im Jahr 2022 auf rund 4 Millionen Barrel pro Tag.“

Der Zugriff auf die fossilen Ressourcen der Erde steht seit jeher im Fokus der Strategen, die auch vor Krieg um Öl nicht zurückschrecken. Das zeigte der unprovozierte und völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA gegen den Irak besonders deutlich. Ein ähnlich motivierter Krieg war der der NATO-Staaten gegen Libyen.

Die weltweiten Militärausgaben sind seit 1988 um circa 600 Milliarden auf gut 2.240 Milliarden US-Dollar pro Jahr angestiegen. Die NATO verantwortete schon vor ihrer Erweiterung um Finnland und Schweden 55 Prozent davon.

Die Dramatik, die in diesen Zahlen enthalten ist, machte schon vor über einem halben Jahrhundert der UNO-Generalsekretär U Thant deutlich. 1969 erklärte er: „Ich will die Zustände nicht dramatisieren. Aber nach den Informationen, die mir (…) zugehen, haben nach meiner Schätzung die Mitglieder dieses Gremius (des Weltsicherheitsrats) noch etwa ein Jahrzehnt zur Verfügung, (…) eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, um das Wettrüsten zu stoppen, den menschlichen Lebensraum zu verbessern (…) und den notwendigen Impuls zur Entwicklung zu geben. Wenn eine solch weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustande kommt, so werden, fürchte ich, die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, dass ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt.“ Diese Warnungen standen im ökologischen Bericht zur Lage der Menschheit „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome.

Je erfolgreicher die NATO ihr Ziel umsetzt, mindestens 2 Prozent der jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Leistung ihrer Mitgliedsstaaten für die Finanzierung der Zerstörungs- und Vernichtungsmaschinerie Militär auszugeben, desto schwerer werden die Probleme sich unter Kontrolle bringen lassen. Dafür bedient sie sich des Legitimations-Narrativs, sie sei Russland wegen gezwungen, so vorzugehen. Der Militäretat Russlands beträgt allerdings nur knapp ein Fünfzehntel von denen der NATO-Mitglieder.

Ein solch massives Wachstum des militärisch-industriellen Komplexes kann sich die Menschheit nicht leisten. Es spricht Bände, dass die Staaten der Welt sechs Mal so viel für Militär wie für Klimaschutz ausgeben.

Auch die NATO befasst sich mit der Klimakrise als Herausforderung für ihre Globalpolitik – nicht, um sie abzuwenden, sondern um darauf zu reagieren.

Ohne Abrüstung und Friedenspolitik im Sinne U Thants kann die ökologische Katastrophe nicht abgewendet werden. Diese Aufklärung ist der Propaganda der Leitung der UN-Klimakonferenz in Dubai entgegenzuhalten.

Ein Teil der Klimabewegung sieht die Zusammenhänge klarer. So kritisieren etwa Scientists for Future in Österreich, dass die USA militärisch bedingte Emissionen in ihren Berichten zum Klima ausblenden.

Wenn klarer Protest gegen die gefährliche Inkonsequenz der Klimapolitik laut wird, kann die Bewegung gegen die Gefahren einer ökologischen Katastrophe nach COP 28 zu der Kraft finden, die gebraucht wird, um die Zukunftschancen der Menschheit offen zu halten. Nur so lassen sich die Lebensraumschädigungen unterhalb der Schwelle halten, ab der die Menschheit sie nicht mehr bewältigen kann.

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