Corona-Virus und internationale antifaschistische Arbeit

An dieser Stelle dokumentieren wir den Newsletter der “Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten” (FIR).

Mit großer Sorge verfolgen die FIR und ihre Mitgliedsverbände
die aktuelle Ausbreitung des Corona-Virus in Europa. Wir sind nicht
nur besorgt wegen der die gesamte Gesellschaft erfassenden
gesundheitlichen Aspekte, sondern weil diese Pandemie in vielfältiger
Form die antifaschistische und Erinnerungsarbeit der FIR und aller
Mitgliedsverbände betrifft.

Seit dieser Woche wurden in allen deutschen KZ-Gedenkstätten die
internationalen Erinnerungsfeierlichkeiten aus Anlass des 75.
Jahrestages der Befreiung abgesagt. Die Absagen wurden – nach
unseren Informationen – von den Gedenkstättenleitungen mit den
Internationalen Lagerkomitees abgesprochen. Nur die
Befreiungsfeierlichkeiten in Mauthausen im Mai 2020 sind noch nicht
abgesagt worden. Jedoch ist die Gedenkstätte Mauthausen aufgrund
einer staatlichen Verfügung bis Anfang April geschlossen. Das
gleiche betrifft die Gedenkstätte Auschwitz, die bis Ende März
vorläufig geschlossen wurde. Begründet wurden die Absagen der
Veranstaltungen damit, dass insbesondere ältere Menschen zu den
Hochrisiko-Gruppen gehören, deren Leben bei einer Erkrankung
ernsthaft gefährdet ist. Wir begrüßen solche gesundheitlichen
Vorsorgemaßnahmen, selbst wenn der politische Schaden aus unserer
Sicht immens ist.

Auch die Projekte der FIR und ihrer Mitgliedsverbände werden
durch diese Vorsichtsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie massiv
behindert. In Ungarn musste die jährliche Verleihung des Radnoti
Preises um einige Monate verschoben werden. In Italien sind die
traditionellen Feiern zum 25. April, dem Befreiungstag, akut
gefährdet. Die geplante antifaschistische Konferenz des Verbandes
der russischen Veteranen muss ebenfalls auf die zweite Jahreshälfte
verschoben werden. Und das großartige Jugendprojekt „Zug der
Tausend“, der Gedenkzug von Brüssel nach Auschwitz, muss aufgrund
der europaweiten Einschränkungen für die Reisemöglichkeiten und
den gesundheitlichen Gefährdungen für die Teilnehmenden abgesagt
werden.

Solche Einschränkungen sind politisch schmerzlich, aber wichtig
ist in dieser Situation, dass alle unsere Mitstreiter und
insbesondere die Veteranen des antifaschistischen Kampfes gesund
bleiben und auch zukünftig ihren Beitrag für unsere gemeinsame
Sache leisten können.

Es bleibt in der Verantwortung der FIR und ihrer
Mitgliedsverbände, dass nach dem Abklingen der Pandemie die Staaten
und die gesellschaftlichen Einrichtungen nicht „zur Tagesordnung“
übergehen.

Wir treten dafür ein, dass in allen Gedenkstätten in
angemessener Form der Befreiung der Lager auch in den kommenden
Jahren gedacht wird. Die nachvollziehbaren Absagen der diesjährigen
Gedenkfeiern dürfen nicht zum Vorwand genommen werden, auch
zukünftig, dieses Datum zu ignorieren.

Gemeinsam mit den Überlebende und ihre Angehörigen sowie den
antifaschistischen Verbänden sind die Gedenkstätten auch zukünftig
verpflichtet, eine würdige und dem Vermächtnis der Überlebenden
entsprechende Gedenk- und Erinnerungsarbeit zu organisieren.

Die Tage der Befreiung und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945
bleiben im kollektiven Gedächtnis der Völker und werden auch
zukünftig begangen – unabhängig von Corona-Virus und anderen
Einschränkungen.



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