Kapitalismus als Ursache erkennbar machen

Der linksradikale Brecht

Die Kritik am Bildungsheft erschließt sich mir nicht wirklich. Als erstes warnen die Autoren davor, dem Verfassungsschutz (VS) in die Hände zu spielen. Sie zitieren den bayerischen VS mit der Aussage, dass die VVN „die parlamentarische Demokratie als potenziell faschistisch (…) betrachtet“. Dann ist es ja wohl an der Zeit, uns von einigen Linksabweichlern zu trennen, oder? Der linksradikale Bert Brecht zum Beispiel behauptet: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Und dass er den Kapitalismus als den Schoß des Faschismus bezeichnet, ist unbestreitbar. Schlimmer noch die Verfasser des Manifests: „(Die Kommunisten) erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ Damit wollen wir also nichts mehr zu tun haben?

In seinen „Zusätzlichen Anmerkungen“ stört sich Georg Polikeit besonders an dem Satz aus dem Heft „Der Faschismus kommt nicht von den Faschisten.“ Er erwidert: „Es gibt keinen Faschismus ohne Faschisten.“ Es gibt aber auch keine bürgerliche Demokratie ohne Faschisten. Die Selbstentfremdung der Menschen im Kapitalismus führt zu einem gewissen Bodensatz von Alu-Hut-Trägern, Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, Antisemiten und eben auch von Faschisten. Und die sollen den Faschismus durchsetzen? Davon lässt sich die herrschende Klasse zum Faschismus drängen, gegen ihren Willen?

1973 gab es in Chile nicht ungewöhnlich viele Faschisten und dennoch waren wir uns damals einig, dass das Pinochet-Regime eine faschistische Diktatur war. An die Macht kam er durch die Arbeit der CIA, der chilenischen Großkonzerne und der enteigneten Kupferindustrie. Die chilenischen Faschisten wurden nicht einmal in die Durchführung des Putsches mit hinzugezogen. Dasselbe gilt für Suharto 1965 in Indonesien und viele weitere Putsche. Wenn der Faschismus kommt, dann, weil die Monopole diesen Weg wählen. 1933 gab den Ausschlag für die „Machtergreifung“ der Brief der führenden Monopolvertreter mit der Aufforderung an Hindenburg, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.

Diese Einsicht soll uns Kommunisten natürlich nicht daran hindern, zusammen mit anderen den Faschisten auf der Straße den Weg zu versperren, im Gegenteil. Das ist für uns aber kein Freibrief, um des lieben Friedens willen gegenüber den Bündnispartnern den Mund zu halten, wenn diese die bürgerliche Demokratie als Grundlage für die Lösung der gesellschaftlichen Probleme preisen. Im Gegenteil: Je besser es uns gelingt, den Kapitalismus als Ursache von Kriegen und sozialem Elend erkennbar zu machen, umso eher entsteht eine Stimmung, die die Monopole zu Zugeständnissen zwingt.

Entsprechendes gilt für den Friedenskampf: Wir müssen nach Kräften dabei sein, und wir müssen uns bemühen, die Einsicht zu vermitteln, dass der Kapitalismus den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen.

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"Der linksradikale Brecht", UZ vom 30. Oktober 2020



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