Indien feiert Erfolg mit Mondlandung

Der Wettlauf geht weiter

Sanfte Landung auf dem Mond. Indien ist auf dem Mond.“ Der Chef der indischen Raumfahrtagentur ISRO, Sreedhara Panicker Somanath, kann stolz sein: Am 23. August landete die Sonde „Chandrayaan-3“ auf dem Mond im südlichen Bereich der der Erde zugewandten Seite des Erdtrabanten. Indische Wissenschaftler und Techniker feiern einen großen Erfolg: Indien ist nun nach der Sowjetunion, den USA und China das vierte Land, dem eine erfolgreiche Landung auf dem Mond gelang. Im Juli 2019 war eine erste Mission noch gescheitert. Die Sonde „Chandrayaan-3“ besteht aus einem Lander mit Rover. Auch wenn diese – wie vorgesehen – nur wenige Tage arbeiten werden: Mit der Mission wurden weitere Voraussetzungen für eine für 2025 vorgeschlagene indisch-japanische „Lunar Polar Exploration Mission“ (LUPEX) zum Südpol des Mondes geschaffen.

Wenig bekannt dürfte sein, dass man in Indien schon seit vielen Jahrzehnten erfolgreich an der Entwicklung eigener Trägerraketen arbeitet. Am 18. Juli 1980 gelang der erfolgreiche Start eines Satelliten. Seit den 1990er Jahren nutzen auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA und die NASA indische Trägerraketen für den Start von Klein- und Nachrichtensatelliten. Später folgten Deutschland, Frankreich, Kanada und so weiter, vor allem aber Staaten ohne eigenes Raumfahrtprogramm. Erste Erfolge gibt es auch bei der Planetenerkundung: Am 5. November 2013 startete ein Mars-Orbiter und erreichte am 24. September 2014 den Mars. Zwei indische Kosmonauten nahmen im April 1984 am gemeinsamen sowjetisch-indischen Raumflug der „Sojus T-11“ teil, indische Raumfahrer gehörten zu Besatzungen auf der Internationalen Raumstation ISS und man arbeitet im Land am ersten eigenen bemannten Raumflug.

Weniger erfolgreich ist man derzeit in jenem Land, das gerne an Erfolge der Sowjetunion bei der Erforschung des Mondes anknüpfen möchte: Am 11. August startete eine Trägerrakete vom Typ „Sojus-2.1b“ mit der Raumsonde „Luna 25“ an Bord vom neuen russischen Weltraumbahnhof Wosto­tschny weit im Osten des Landes, in der Amurregion. Groß waren die Hoffnungen: „Russland kehrt nach 50 Jahren zum Mond zurück!“ Doch das Unternehmen scheiterte. Am 19. August sollte, um die Landung vorzubereiten, die Sonde abgebremst und auf eine neue Umlaufbahn gebracht werden. Wie der Leiter der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Juri Borissow, mitteilte, arbeitete das Antriebssystem während der notwendigen Bahnkorrektur 127 Sekunden statt der geplanten 84. „Luna 25“ kollidierte mit der Mondoberfläche.

Ursprünglich war ein Start bereits 2012 geplant, wurde aber immer wieder verschoben. Erste Planungen für eine neue – russische – Mondsonde mussten 15 Jahre vorher wegen Finanzierungsschwierigkeiten „auf Eis“ gelegt werden, erst ab 2005/6 gab es wieder Geld für Mondflüge. Ursprünglich war auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA mit „an Bord“, kündigte aber am 13. April 2022 die Zusammenarbeit auf. Ziele der „Luna 25“-Mission waren die Untersuchung der technischen wie natürlichen Bedingungen für künftige Landungen. Ein Erfolg der Mission hätte – in der gegenwärtigen Situation und angesichts massiver westlicher Sanktionen – auch politische Bedeutung gehabt.

Die letzte sowjetische Rückkehr-sonde im Rahmen der „Luna 24“-Mission kehrte vor 47 Jahren, am 22. August 1976, mit 170 Gramm Mondgestein zur Erde zurück. Danach gab es, obgleich in der Sowjetunion und später in Russland weitere Flüge zu unserem Erdtrabanten geplant waren, über Jahrzehnte keine sowjetische beziehungsweise russische Mondmission mehr. Vielleicht, weil die sowjetischen Behörden das Schwergewicht der Raumfahrtaktivitäten zunehmend auf die Schaffung einer ständigen Raumstation im Erdorbit richteten und die Untersuchung von Planeten wie Mars und Venus favorisierten? Oder, weil – wie offiziell erklärt wurde – nicht genügend Trägerraketen für die Weiterführung des Mondprogramms zu Verfügung standen? Weil wahrscheinlich das der Sowjetunion aufgezwungene Wettrüsten zudem immer mehr Ressourcen band? Dabei hatte man mit dem „Luna“-Programm doch durchaus – neben Misserfolgen – Erfolge erreicht: die erste Umrundung des Mondes, die erste – harte – Landung auf unserem Trabanten, die ersten – noch etwas unscharfen – Bilder von der Mondrückseite, die Entnahme von Bodenproben und ihre Beförderung zur Erde im Rahmen unbemannter Missionen, den Bau eines Fahrzeuges („Lunachod“), welches über Monate auf der Mondoberfläche erfolgreich operierte. An diese Erfolge will man im „neuen Russland“ möglichst schnell wieder anknüpfen.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Der Wettlauf geht weiter", UZ vom 1. September 2023



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