Türkischstämmige Deutsche demonstrieren pro und kontra Erdogan. CSU fordert Verbot von Religionsgemeinschaften

Die gespaltene Community

Von Markus Bernhardt

Bis zu 40 000 Demonstranten haben am vergangenen Sonntag an einer Kundgebung von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln teilgenommen. Diese war von der sogenannten „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD) organisiert worden, die als verlängerter Arm der AKP in der Bundesrepublik gilt. Viele Kundgebungsteilnehmer trugen jedoch Pullover mit dem Logo des heulenden Wolfes – Symbol der faschistischen Bewegung der Grauen Wölfe. Auch Fahnen der faschistischen Partei MHP waren zu sehen.

Gegen den Aufzug der AKP-Anhänger und ihrer Unterstützer hatten verschiedene antifaschistische Zusammenschlüsse und Parteien wie etwa das Bündnis „Köln gegen Rechts“, an dem auch die SDAJ beteiligt ist, sowie DKP und Linkspartei mobil gemacht. Sie wandten sich zugleich gegen einen Aufmarsch von Rechtspopulisten, Neonazis und Hooligans, die ebenfalls gegen die Pro-Erdogan-Kundgebung auf die Straße gingen. „Die deutsche Rechte von AfD bis Pro NRW/NPD und die türkische Rechte von AKP und MHP stehen für ein Gesellschaftsmodell, in dem sexuelle, religiöse und ethnische Minderheiten keinen Platz haben. Sie stehen für den Versuch, soziale Konflikte durch völkische und nationalistische Phrasen zu übertünchen und die Menschen in eine religiöse oder nationale Volksgemeinschaft zu zwängen, in der ‚Fremde‘ keinen Platz haben“, kritisierte „Köln gegen Rechts“ in seinem Demonstrationsaufruf.

„Insgesamt verliefen die Veranstaltungen trotz hoher Emotionalisierung ohne größere Störungen“, schätzte die Kölner Polizei anschließend ein. Dabei hatten die Beamten den Aufmarsch der rund 320 extremen Rechten, darunter auch Anhänger der neofaschistischen Partei „Die Rechte“, aufgelöst, da sich einige Teilnehmer offenbar bewaffnet hatten und stark alkoholisiert waren.

Nach den Demonstrationen griffen etwa 40 deutsche Faschisten auf einem Bahnsteig des Kölner Hauptbahnhofes acht Dortmunder Antifaschisten an. Einige der Antifaschisten wurden verletzt, einer musste im Krankenhaus behandelt werden, berichtete das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“.

Im Vorfeld der AKP-Kundgebung hatte auch das Deutschland-Komitee der Kommunistischen Partei (Türkei) zu Protesten aufgerufen, „um den Krieg, den Putsch, die Armut und die Reaktionäre zu vertreiben. Es gibt nur eine reelle Alternative zur Putschgefahr der Sekten, die in Koordination mit den imperialistischen Zentren agieren und zur Finsternis der AKP, sowie zur Regierung irgendeiner anderen Partei, die dieses Ausbeutungssystem fortsetzt: ein Systemwechsel, den Sozialismus“, stellte die Partei in einer Stellungnahme fest.

Unterdessen nehmen die Konflikte unter türkischstämmigen Deutschen zu. So kam es in verschiedenen bundesdeutschen Städten zu Protesten von Kurden, linken Türken wie etwa Anhängern der HDP, die sich gegen den versuchten Militärputsch, aber auch das AKP-Regime und Erdogan aussprachen. Auch AKP-Anhänger und andere nationalistische Kreise zog es auf die Straße. Sie erklärten ihre Solidarität mit Erdogan und forderten die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Mancherorts kam es zu gewalttätigen Übergriffen türkischstämmiger Rechter auf Kurden und Linke sowie Anhänger der Gülen-Bewegung, die von der AKP für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird. Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.“ (DITIB) erklärte: „Jeder Mensch kann sich nur in einem rechtsstaatlichen und freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen entfalten. Was für uns in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist, haben Menschen in der Türkei in den vergangenen Stunden verteidigen und behaupten müssen“. Zudem kritisierte der DITIB-Dachverband, der ebenfalls als AKP-nah gilt, „auch die Medien“ in Deutschland und bezichtigte diese der „Stimmungsmache“, welche „die Spannungen und Entfremdungen“ zunehmend anheize und das „Frustrationspotential“ erhöhe.

Unterdessen forderte der CSU-Rechtsaußenzusammenschluss „Konservativer Aufbruch“ ein „sofortiges Verbot aller radikalislamischen Verbände, Vereinigungen oder sonstigen Organisationen, darunter auch DITIB“ und ein „gesetzliches Verbot der Finanzierung von Religionshäusern und Vereinigungen aus dem Ausland nach österreichischem Vorbild“. Jens Spahn, Abgeordneter und Mitglied des CDU-Präsidiums, forderte in einem Zeitungsbeitrag Loyalität zum deutschen Staat: „Wessen Herz für Erdogan schlägt, wer für ihn und seine AKP auf die Straße geht und seine Gegner mundtot zu machen sucht, der sollte das besser in der Türkei tun. Und dem müssen wir eine klare Entscheidung abverlangen. Unser Staatsoberhaupt jedenfalls heißt Joachim Gauck.“ Für die kommenden Wochen rechnen die deutschen Behörden mit weiteren Protesten pro und kontra Erdogan in der Bundesrepublik.

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"Die gespaltene Community", UZ vom 5. August 2016



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