Kuba leidet unter der US-Blockade, die in diesem Monat einmal mehr verschärft wurde. Die kubanische Bevölkerung muss viel entbehren, aber die Mehrheit kämpft weiter für die Verteidigung des Sozialismus. UZ sprach mit Petra Wegener, Mitglied des DKP-Parteivorstandes und Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Renate Koppe, Leiterin der Internationalen Kommission der DKP, und Andreas Voßhenrich-Werner, Leiter der Kuba-AG der DKP, über die Situation in Kuba, die Solidaritätsarbeit und das neue Soli-Projekt der DKP. Der Parteitag der DKP hat im Juni beschlossen, 25.000 Euro für die Kommunistische Partei Kubas zu sammeln.
UZ: Die Blockade gegen Kuba ist erneut verschärft worden. Was bedeutet das für die sozialistische Insel?
Petra Wegener: Am 11. Juli wurde ein neues Sanktionspaket beschlossen, das ganz klar auf die wirtschaftliche Erstickung Kubas abzielt. Mit Strafen wird unter anderem bedroht, wer in ein Hotel eincheckt, das auf der „verbotenen Übernachtungsliste“ steht. Diese Liste wurde nun um elf nagelneue Hotels und Touristenmagnete erweitert. Tourismus als Einnahmequelle für Kuba – das darf aus Sicht der US-Regierung nicht sein.
Die Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade steht für eine systematische Politik des Drucks und der Isolation, die zahlreiche Aspekte des Lebens in Kuba betrifft. Bereits 1960 formulierte Lester D. Mallory, stellvertretender US-Staatssekretär für interamerikanische Angelegenheiten, in einem geheimen Memorandum des US-Außenministeriums das Ziel: „Es müssen schnell alle nur möglichen Mittel eingesetzt werden, um das Wirtschaftsleben Kubas zu schwächen … eine Vorgehensweise, die so geschickt und diskret wie möglich zu sein hat, damit größtmögliche Fortschritte dabei erzielt werden, Kuba den Geldfluss und die Lieferungen zu entziehen, um so seine finanziellen Ressourcen und die Reallöhne zu schmälern, Hunger und Verzweiflung zu verursachen und den Sturz der Regierung herbeizuführen.“ An dem Ziel hat sich nichts geändert.
UZ: Welche Rolle spielen die EU und die Bundesregierung?

Petra Wegener: Im vergangenen Jahr gehörten die Stimmen der Bundesregierung und der EU-Staaten zu den 187 Stimmen in der UNO gegen die US-Blockade. Das hat aber keinerlei Auswirkungen, denn gleichzeitig bieten dieselben Staaten im EU-Parlament jeglicher Verleumdung eine Bühne, die sich gegen die von der Bevölkerung Kubas selbst gewählte Entwicklungsrichtung, den kubanischen Sozialismus, richtet.
Es ist also an uns, Druck zu machen. Wir haben die Aufgabe politische Akteure zu mobilisieren, die in der Lage sind, die Auswirkungen der Blockade zu mildern. Wir müssen die Rechtswidrigkeit der Blockade und auch ihre Auswirkungen auf europäische Bürger und Unternehmen aufzeigen.
UZ: Tatsächlich ist die Situation in Kuba zurzeit äußerst schwierig. Was sind die Hauptprobleme und wie gehen die Menschen damit um?
Petra Wegener: Vor allem Medikamente, Lebensmittel und Energie sind knapp, ihr Mangel ist zermürbend. Die kubanische Bevölkerung geht damit unterschiedlich um. Viele sind ausgelaugt, einige haben das Land bereits als Wirtschaftsflüchtlinge verlassen, andere haben es vor. Doch die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter ihrer Regierung und kämpft für den Erhalt der kubanischen Souveränität, für den kubanischen Sozialismus.
UZ: Wie versucht die Regierung, die Auswirkungen der Blockade auf die Bevölkerung abzuschwächen?
Renate Koppe: Petra hat schon darauf hingewiesen, dass die USA seit vielen Jahren versuchen, Kuba zu destabilisieren. Ich will auch kurz auf die jüngere Geschichte eingehen. Kuba geriet ja vor allem mit der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion und in Europa in eine äußerst schwierige Lage, zumal der Imperialismus gleichzeitig seine Blockadepolitik verstärkte. In dieser „Sonderperiode“ wurden Maßnahmen ergriffen, die die Lage stabilisieren und die sozialistische Entwicklung retten sollten. Dazu gehörten zunächst die Legalisierung des Dollars, um den Schwarzmarkt zumindest teilweise kontrollieren zu können. Später wurde ein duales Währungssystem eingeführt, es gab eine frei konvertible Währung neben der eigentlich nationalen Währung. Dies führte nicht zu einer Lösung der Probleme – und konnte es auch nicht. Es waren Notmaßnahmen, um der durch die geopolitische Veränderung entstandenen, äußerst prekären Situation zu begegnen.
2020 leitete die kubanische Regierung dann grundlegende Reformen ein, die es staatlichen Unternehmen ermöglichte, selbstständig zu exportieren und Devisen zu erwirtschaften und zu erheblichen Teilen zu reinvestieren beziehungsweise zu nutzen, um Arbeitskräfte zu binden. Gleichzeitig wurde die Zahl der Bereiche, die im Privatsektor wirtschaftlich tätig werden können, um ein Vielfaches erweitert, dazu gehörte auch die Landwirtschaft. Beides dient unter anderem dazu, dringend benötigte Fachkräfte, die oft in den Tourismus abgewandert waren, wieder in ihren eigentlichen Bereichen einzubinden.
UZ: Gefährden die Maßnahmen den Sozialismus oder verteidigen sie ihn?
Renate Koppe: Solche Maßnahmen bergen immer eine Gefahr. Soziale Ungleichheit wird verstärkt, Unzufriedenheit wächst. Sie waren nach meiner Einschätzung aber unumgänglich, um die Revolution überhaupt verteidigen zu können. Entscheidend ist hier, ob die Partei der Arbeiterklasse, die Kommunistische Partei, die Führung behält und eine politische Kontrolle ausübt. Dies gilt nicht nur in Kuba, wir sehen solche Prozesse – in weit größerem Maßstab – auch in China. In der Geschichte ist auch die Neue Ökonomische Politik in der frühen Sowjetunion damit vergleichbar. In all diesen Fällen hat die Kommunistische Partei die politische Kontrolle behalten.
In Kuba konnte so das kostenlose Bildungs- und Gesundheitswesen trotz aller Probleme aufrechterhalten werden, Infrastruktur und zentrale Produktionsbetriebe blieben in staatlicher Hand. Es geht bei solchen Maßnahmen auch um eine Weiterentwicklung der Produktivkräfte unter Bedingungen, in denen der Imperialismus weltweit noch in vielem die Vorherrschaft hat. Sozialismus bedeutet eine Weiterentwicklung der Produktivkräfte zum Nutzen des gesamten Volkes, nicht Gleichheit auf einem Armutsniveau.
Petra Wegener: Die Probleme mit der Versorgung im Energiesektor, bei Medikamenten und Konsumgütern lassen sich nicht national lösen. Kuba sucht in dieser Situation die Zusammenarbeit mit Ländern, die ihre nationalen Interessen gegenüber dem Imperialismus verteidigen. Dazu gehört die Volksrepublik China, mit der es zum Beispiel eine Zusammenarbeit zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie, vor allem Sonnenenergie, gibt. Kuba kooperiert auch mit der Russischen Föderation, zum Beispiel bei der Modernisierung der noch von der Sowjetunion gebauten Kraftwerke. Zusammenarbeit mit Russland und China gibt es auch in anderen industriellen Bereichen und in der Landwirtschaft.
UZ: Kuba ist Anfang des Jahres Mitglied des BRICS-Staatenbundes geworden. Wie bewertet ihr den Schritt?

Renate Koppe: Ja, Kuba ist, wie unter anderem auch Vietnam, Nicaragua und Belarus, zu einem BRICS-Partnerland geworden. Dies ist noch keine volle Mitgliedschaft, erleichtert aber sicher die Zusammenarbeit mit den BRICS-Ländern insgesamt. Die Länder arbeiten nicht nur wirtschaftlich zusammen, sondern unterstützen einander auch politisch in ihrem Kampf um eine souveräne Entwicklung, gegen völkerrechtswidrige Sanktionen und Blockaden. Auch bei den Hurrikanschäden und in der Corona-Pandemie haben diese Länder Kuba mit Sofortmaßnahmen unterstützt.
Der Status als BRICS-Partnerland wird diese Möglichkeiten erweitern. So wurden in diesem Sommer zum Beispiel weitere Projekte mit Belarus im Bereich der Landwirtschaft, aber auch im Bereich der pharmazeutischen Industrie vereinbart.
Die Präsidentin der kubanischen Zentralbank, Juana Lilia Delgado Portal, erklärte in einem Interview im Mai, dass BRICS auch das Potential habe, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba und afrikanischen Ländern zu stärken. Eine wichtige Rolle bei Finanzierungsmöglichkeiten könne die Neue Entwicklungsbank spielen, die von BRICS getragen wird. Sie nannte die Bereiche der Biotechnologie, der Medizin und der Bildung.
UZ: Die DKP hat auf ihrem 26. Parteitag im Juni ein neues Solidaritätsprojekt beschlossen. 25.000 Euro sollen für die Kommunistische Partei (PCC) gesammelt werden. Die Menschen haben kaum Medikamente und sitzen im Dunkeln – und wir sammeln für die Partei?
Renate Koppe: Beim Aufbau des Sozialismus spielt die Kommunistische Partei eine führende Rolle, nicht nur als Regierungspartei, sondern auch als Organisation, die die Beteiligung der Menschen im ganzen Land absichert. Dazu gehören ständige Kontakte vor Ort, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land und in den Betrieben. Kritik und Unmut, von denen es angesichts ständiger Stromausfälle und Versorgungsproblemen genug gibt, aber auch Anregungen werden aufgenommen und es werden Projekte organisiert. Diese Arbeit findet unmittelbar vor Ort, aber natürlich auch über elektronische Medien statt. Die Kommunikation ist von großer Bedeutung für die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft, umso mehr unter Bedingungen von Blockade und Wirtschaftskrieg.
Petra Wegener: Die PCC verfügt aber anders als bürgerliche Regierungsparteien in kapitalistischen Ländern nicht über ausreichende Mittel. Die Genossinnen und Genossen brauchen technische Ausstattung in den Büros im ganzen Land. Fahrzeuge und Druckereien werden benötigt. Unsere kubanische Schwesterpartei hat uns angesichts der oben beschriebenen Lage ausdrücklich darum gebeten, diesen Schwerpunkt bei unserer Solidaritätsarbeit zu setzen – und dem kommen wir gerne nach.
Andreas Voßhenrich-Werner: Aktionen gegen die Blockade sind das eine, Unterstützung der PCC ist das andere. Wir machen beides. Die Kommunikation der Partei zum Beispiel mit den Komitees zur Verteidigung der Revolution muss in allen Regionen funktionieren. Die USA und ihre Handlanger in Kuba versuchen jeden Hurrikan und jede Stromabschaltung auszuschlachten, um gegen die demokratisch gewählte Regierung Stimmung zu machen. Dem kann man nur entgegenwirken, wenn die Infrastruktur für die Kommunikation steht.
UZ: Inwiefern helfen auch die gemeinsamen Lesereisen von UZ und „Cuba Libre“, der Zeitung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, dem kubanischen Volk?
Petra Wegener: UZ-Leserinnen und -Leser sind, wie auch die Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft, großzügige Spender für Kuba. Natürlich ist auch das Geld, das durch die Reisen eingenommen wird, ein kleiner Soli-Beitrag. Vor allem aber leisten Kuba-Reisende, die sich mit der Geschichte und Situation in Kuba vertraut machen und darüber in ihren Heimatländern berichten, wichtige politische Solidarität. Sie klären auf über die Ziele und Auswirkungen der US-Blockade und den Widerstand dagegen.

Andreas Voßhenrich-Werner: Oft folgt auch praktische Solidarität. Durch die letzte Lesereise konnte ein neues Netzwerk im medizinisch/zahnmedizinischen Bereich geknüpft werden, das dringend benötigtes Material für Kuba organisiert. Möglich wurde das durch die Unterstützung der HCH, der Humanitären Cuba Hilfe Bochum, die seit Jahrzehnten Hilfscontainer verschifft. Wir als Kuba AG der DKP konnten einen Lkw mit Medikamenten, Nahtmaterial, Rollstühlen und Gehhilfen zur Sammelstation bringen. Besonders wichtig war uns die Spende von drei Inkubatoren, durch die Frühgeborene eine deutlich bessere Versorgung erhalten.
Aus Nürnberg kam ein Sterilisator hinzu, der mit destilliertem Wasser betrieben wird. Das lässt sich ganz simpel herstellen und der Betrieb ist so unabhängig von den Stromabschaltungen. Wer also Zugang zu medizinischem Gerät oder Medikamenten hat, melde sich bei der Kuba AG der DKP. Wir übernehmen gern den Transport. Zurzeit hilft wirklich alles.
UZ: Wie arbeitet die Kuba-AG der DKP?
Andreas Voßhenrich-Werner: Wir treffen uns etwa zwei Mal im Jahr. Untereinander sind wir allerdings viel häufiger in Kontakt, zum Beispiel, um bei der Sammlung von medizinischem Gerät zu helfen. Aktuell planen wir eine Arbeitsbrigade, um die Kinderklinik Rosa Luxemburgo in Cárdenas zu renovieren. Die Klinik für Kinder mit neurologischem Unterstützungsbedarf entstand 2002 mit Hilfe von Baubrigaden der DKP. 2024 haben wir mit einer Spendensammlung geholfen, den IT-Bedarf der Klinik auf neuesten Stand zu bringen. Doch auch das Gebäude ist inzwischen in die Jahre gekommen und der Leiter, Dr. Jorge Rodríguez Fernández, freut sich sehr über unsere Unterstützung. Angeschafft werden soll auch eine Notstrom-Photovoltaikanlage, für die wir momentan Geld sammeln. Anfang Oktober reise ich nach Cárdenas, um die Brigade vorzubereiten und in Absprache mit den Beschäftigten das benötigte Material zu bestimmen.
Die Fragen stellte Wera Richter
Kontakt zur Kuba-AG der DKP über inter@dkp.de.