Kahlschlag und Berufsverbote: der Öffentliche Dienst wird geschröpft

Es wird eng

Lars Klingbeil (SPD) versteht es, Menschen mitzunehmen. Irgendwie erhaben durfte sich die Zuhörerschaft fühlen, als er bei der Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrags bekanntgab, dass wir in „wahrlich historischen Zeiten“ leben. Aus so viel Klugheit wächst natürlich Verantwortung, die den Generationen aus nicht-historischen Zeiten abging. Klingbeil: „Wir werden uns künftig nicht alles leisten können, wir müssen Prioritäten setzen.“

Wie diese Prioritäten aussehen, ist klar geregelt. Unbegrenzte Summen für Krieg und Hochrüstung, wenig für den Rest. Folgt man den Ausführungen des Koalitionsvertrages, dann gehören zu diesem „Rest“ auch große Teile des Öffentlichen Dienstes.

Die Koalitionäre wollen mit gutem Beispiel vorangehen und 8 Prozent der Stellen (knapp 1.800 Arbeitsplätze) in der Bundesverwaltung streichen. Da alle „Sicherheitsbehörden“ von den Kürzungsplänen ausgenommen sind, werden zivile Angestellte die Hauptlast tragen. Das Vorgehen des Bundes soll Ländern und Kommunen als Vorbild dienen, denn SPD und Union begreifen „Haushaltskonsolidierung als gesamtstaatliche Aufgabe“. Deswegen sollen alle „staatlich übernommenen Aufgaben hinsichtlich ihrer Notwendigkeit“ überprüft werden. Im Zuge des anstehenden Kürzungsprogramms werden sich zudem Gelegenheiten bieten, um unliebsame Angestellte und Beamte loszuwerden. Einen Hebel dafür hat die „Arbeitgeberseite“ in das Schlichtungsergebnis des Öffentlichen Dienstes hineinverhandelt. Auszubildende, die hoheitliche Aufgaben ausführen, sollen künftig nur noch dann in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, wenn sie sich „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“.

Die Regelung mag speziell klingen, ist aber ein Türöffner für die bundesweite Ausweitung von Berufsverboten. Schließlich geht es hier nicht um ein von oben diktiertes Gesetz, sondern um die gewerkschaftliche Anerkennung eines zutiefst reaktionären Mechanismus. Auch wenn Sozialdemokraten das schwammige Bekenntnis zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gerne mit dem „Kampf gegen rechts“ begründen, zeigt die Praxis das Gegenteil. Die linke Aktivistin und Lehramtsstudentin Lisa Poettinger soll in Bayern nicht zum Referendariat zugelassen werden – unter anderem, weil sie die Internationale Automobilausstellung als „Symbol der Profitmaximierung“ bezeichnet habe. Der Geoinformatiker Benjamin Ruß darf nicht an der Technischen Universität München arbeiten, auch weil er sich als Gewerkschafter für konsequente Erzwingungsstreiks ausgesprochen hat.

Um diese Verhältnisse in der gesamten Republik durchzusetzen, ernennen die Koalitionäre in naher Zukunft einen CSU-Innenminister. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass für „Feinde der Demokratie“ der Grundsatz „Null Toleranz“ gelte. Das „Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren“ soll vorerst fortgesetzt werden, um Beamte zügig aus dem Dienst entfernen zu können.

„Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie demokratisch gesinnte Menschen diesem Koalitionsvertrag etwas Positives entnehmen können“, kommentiert Werner Siebler vom „Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte“. Für diejenigen, die ihm zustimmen oder auch nur kritisch nachfragen, dürfte es im Zusammenspiel von Kürzungswahn und neuen Berufsverboten bald eng werden im Öffentlichen Dienst.

Ursprünglich enthielt dieser Artikel einen Satz aus einer alten Formulierung des TVöD-Schlichtungsergebnisses, der inzwischen gestrichen wurde. Wir haben den Fehler in der Online-Fassung korrigiert.

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"Es wird eng", UZ vom 25. April 2025



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