Energiekonzerne werden auf Kosten der Verbraucher „entschädigt“

Fauler Kompromiss

Von bm

Energiekonzerne, Bergbaugewerkschaft IG BCE und die Bundesregierung stehen im Streit um den geplanten Klimabeitrag für alte und schmutzige Kohlekraftwerke kurz vor einem „Kompromiss“: Der Klimabeitrag entfällt und die Energiekonzerne bekommen dafür jedes Jahr rund 800 Millionen Euro vom Steuerzahler oder vom Stromverbraucher. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnen vor, dass der Alternativvorschlag Verbrauchern und Steuerzahlern noch teurer kommt.

Letzte Woche hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einen Vorschlag vorgelegt, der im Wesentlichen auf den Plänen der Bergbaugewerkschaft IG BCE beruht: Er sei bereit, auf den geplanten Klimabeitrag zu verzichten, der vor allem die Energiekonzerne belastet hätte. Im Gegenzug sollen die Konzerne Kraftwerkskapazitäten von 2,7 Gigawatt in eine sogenannte Kapazitätsreserve überführen. Zusätzlich soll die Kraft-Wärme-Kopplung, bei der sowohl Strom als auch Wärme genutzt werden, ausgebaut werden und die Hausbesitzer sollen ihre Heizungsanlagen modernisieren.

„Alles umlegen“ – auf den Endverbraucher.

Der vorliegende Kompromissvorschlag sei „kein wirklicher Kompromiss“, heißt es in einem DIW-Papier, das Unsere Zeit vorliegt. Er sei zu teuer und die Kohlendioxid-Einsparungen sind viel geringer als geplant. Die von der IG BCE vorgeschlagene „Kapazitätsreserve für Versorgungssicherheit und Klimaschutz“ (KVK) entspreche einer teuren Abwrackprämie für besonders alte Kraftwerke und sei wegen der bestehenden Überkapazitäten am Strommarkt weder energiepolitisch sinnvoll noch klimapolitisch effektiv, heißt es in einer anderen DIW-Studie.

Demnach sollen die alten Kraftwerke, von denen die meisten ohnehin in den nächsten Jahren stillgelegt worden wären, für die Zeitspanne von 2017 bis 2022 in die Kapazitätsreserve übertragen werden. Weil es derzeit aber enorme Überkapazitäten am Strommarkt gibt, würden die Kraftwerke in der KVK in dieser Zeit sehr wahrscheinlich kein einziges Mal abgerufen werden, heißt es in der DIW-Studie.

Damit die Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen überhaupt in die KVK geben, sollen sie dafür entschädigt werden. Nach Angaben des Spiegels (27/2015) fordern die Konzerne 300 Euro pro Kilowattstunde Kraftwerksleistung jährlich, damit die Kraftwerke in Reserve vorgehalten werden. Das entspreche einer Gesamtsumme von 800 Millionen Euro, die jedes Jahr von Stromkunden aufzubringen sind. Laut DIW-Studie könnten „einzelne Betreiber durch die KVK bis zu 14-mal mehr verdienen als sie sonst in der verbleibenden Restlaufzeit der Kraftwerke verdienen könnten.“ Laut einer Studie des Öko-Thinktanks „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) ergäben sich sogar Mitnahmeeffekte für die Energiekonzerne von 920 Millionen Euro.

Getragen werden die Kosten für die KVK durch den Endverbraucher, da sie auf die Netzentgelte umgelegt werden. Viele Betriebe sind allerdings von ihnen befreit, so dass der Kreis der Zahler noch kleiner wird. Für Haushalte und kleinere Unternehmen erhöht sich die Umlage um 50 Prozent von 0,2 Cent je Kilowattstunde auf 0,3 Cent.

Damit ist aber noch nicht Schluss. Auch die Kosten für die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung werden auf den Endverbraucher umgelegt. Steigt das Fördervolumen auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr, verdreifacht sich die KWK-Umlage, die ebenfalls mit der Stromrechnung zu begleichen ist. Ob dieser Teil des Kompromisses überhaupt klimapolitische Effekte hat, ist zudem zweifelhaft. Dem DIW scheint es aufgrund langer Genehmigungs- und Bauzeiträume sehr ambitioniert zu sein, bis 2020 erhebliche CO2-Einsparungen durch einen Ersatz von Steinkohle-KWK auf Gas-KWK zu erzielen. Ohne Abschaltung alter Anlagen würde der Neubau nur zu weiteren Überkapazitäten führen.

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"Fauler Kompromiss", UZ vom 3. Juli 2015



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