Paolo Gentiloni neuer Regierungschef in Rom

Früher linksradikal

Von Gerhard Feldbauer

Im opportunistischen Italien scheint nichts unmöglich. Für den nach seiner Niederlage im Referendum zur Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer zurückgetretenen Premier Matteo Renzi hat Staatspräsident Sergio Mattarella den bisherigen Außenmister Paolo Gentiloni mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Gentiloni war in den 1970er Jahren Mitglied der „Partei der proletarischen Einheit für den Kommunismus“ (PdUP), schloss sich später den Grünen an, stieß dann zur katholischen Zentrumspartei Margherita, mit der er 2007 die Vereinigung mit einer Mehrheit der aus der IKP hervorgegangenen Linksdemokraten zum heutigen buntscheckigen sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) mitmachte. Der anpassungsfähige Karrierist soll offensichtlich auch für oppositionelle Linke wählbar sein. Ob eine Regierung unter Gentiloni bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 im Amt bleibt ist derzeit noch offen.

Die Senatsreform hatte sowohl das rechtsextreme Lager – die Forza Italia (FI) von Expremier Berlusconi, die rassistische Lega Nord und die faschistischen Brüder Italiens (Fratelli d’Italia – FdI) – als auch die kleinbürgerliche rechtslastige Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) abgelehnt. Um der arbeiterfeindlichen Politik des früheren rechten Christdemokraten Renzi eine Abfuhr zu erteilen, hatten auch viele Linke mit „No“ gestimmt. Politiker des Mitte-Links-Lagers wie der mehrmalige Ministerpräsident Romano Prodi und der parteilose Linke Giuliano Pisapia, von 2011 bis 2016 Bürgermeister von Mailand, hatten vor einem „No“ gewarnt, da dieses der ex­tremen Rechten „den Weg freimachen“ werde.

Denn FI, FdI und Lega, aber auch die kleinbürgerliche rechtslastige M5S fordern jetzt sofort vorgezogene Parlamentswahlen. Es steht zu befürchten, dass sich die beiden Lager, wenn ihre Kandidaten keine Erfolgsaussichten haben, gegenseitig unterstützen. So wie im Juni 2016, als in Rom Virginia Raggi von M5S mit Stimmen der FdI, die in der ersten Runde 20 Prozent erhalten hatte, zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Vorgezogene Parlamentswahlen könnten frühestens im Juni 2017 stattfinden. Denn vorher muss das Wahlgesetz Italicum, das der stärksten Partei einen Bonus von 340 der 630 Sitze im Abgeordnetenhaus zugesteht, geändert werden. Im Gespräch ist, in der jetzigen Fassung untersagte Wahlbündnisse wieder zu erlauben, was den Linken Chancen einräumen würde, ins Parlament zu kommen.

Zu Neuwahlen wollen sich die Linken aus der derzeitigen Partei Linke und Umwelt (SEL), aus PD und anderen Gruppen, als auch aus der Rifon­dazione Comunista (PRC) zu einer Italienischen Linken (Sinistra Italiana – SI) zusammenschließen, um mit der PD eine neue Mitte Links-Koalition „Campo progessista“ (Lager des Fortschritts) zu bilden. Dazu wird gefordert, die PD müsse jede Zusammenarbeit mit aus der FI hervorgegangenen Parteien wie des „Neuen Rechten Zentrums (NCD) des früheren Vize-Chefs Berlusconis, Angelino Alfano, beenden.

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"Früher linksradikal", UZ vom 16. Dezember 2016



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