Kommunistin zur Vizebürgermeisterin von Graz gewählt

Für die, die keine Lobby haben

Von Anne Rieger

Mit 38 von 46 Stimmen wurde Elke Kahr, die Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) in Graz, vor wenigen Tagen zur Bürgermeisterstellvertreterin (Stellvertreterin des Oberbürgermeisters) der Landeshauptstadt Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, gewählt. An ihrer Arbeitsweise werde das nichts ändern, betonte die Kommunistin nach ihrer Angelobung (Vereidigung) durch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (Ministerpräsident der Steiermark).

Elke Kahrs Tür steht für Hilfesuchende immer offen. Jährlich kommen über 5 000 Menschen zu ihr ins Büro und suchen Unterstützung bei Problemen mit dem Vermieter oder wenn sie mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen. Von der Mietzahlung bis zur Reparatur einer Waschmaschine werden sie von den MandatarInnen (Abgeordneten) der KPÖ unterstützt, die einen Teil ihrer Politikerinnenbezüge in den parteieigenen Hilfsfonds einzahlen. Pro Jahr kommen so rund 130 000 Euro zusammen, mit denen Grazer in Not unterstützt werden. Einmal im Jahr wird der Fonds für Journalisten offen gelegt. Kahr wird von ihren 12 610 Euro brutto 1 900 Euro netto behalten. Aber nicht nur denen wird geholfen, die zu ihrem Büro kommen, nicht nur denen, die sich an den kostenlosen Mieternotruf der KPÖ wenden. Viele Wochen – nicht nur im Wahlkampf – steht Elke Kahr mit ihren GenossInnen an Infoständen in den Stadtteilen, hört auf Sorgen, sammelt Unterschriften – zur Zeit gegen Maklergebühren für Mieter –, hilft und nimmt Vorschläge auch für die Gemeinderatsarbeit auf.

Die 55-jährige KPÖ-Stadträtin (Bürgermeisterin) arbeitet seit 23 Jahren im Gemeinderat. Zunächst als Gemeinderätin, dann als Klubobfrau (Fraktionsvorsitzende) und seit 2005 als Stadträtin (Wohnungsbürgermeisterin). Nach ihrer Wahl hob Kahr hervor, dass es eine gemeinsame Verpflichtung gebe, die Stadt Graz für alle lebenswert zu machen. Es werde aber „immer darum gehen, um Lösungen zu ringen, die im Interesse der Mehrheit unserer Bevölkerung sind“. Dabei verwies sie auf das Stadtbudget 2015/2016, das die KPÖ-GemeinderätInnen mit ÖVP und SPÖ beschlossen hatten, ohne eine Koalition zu bilden. Darin war für diesen Zeitraum unter anderem festgelegt: keine Erhöhung bei Kanal- und Müllgebühren, keine Erhöhung der Mieten bei städtischen Wohnungen, keine Streichung von Sozialleistungen, keine Privatisierung von städtischem Eigentum, Maßnahmen für den Bau weiterer 500 neuer Gemeindewohnungen, den Preis der ÖPNV-Jahreskarte von 399 auf 228 Euro reduzieren. Bei den letzten Gemeinderatswahlen in Graz 2012 war die KPÖ mit 19,9 Prozent zur zweitstärksten Partei geworden.

Zum Ende ihrer Antrittsrede griff Elke Kahr ein aktuelles Thema auf: „Viele Menschen haben Sorge um die Zukunft. Diese kann man ihnen nicht nehmen, wenn man ihnen das Blaue vom Himmel verspricht oder wenn man die Fremden als Schuldige für alle Probleme anprangert. Wir müssen unserer Bevölkerung Mut machen und Hoffnung geben und zwar nicht mit allgemeinen Worten, sondern ganz konkret mit Ergebnissen etwas für die Menschen erreichen.“

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"Für die, die keine Lobby haben", UZ vom 24. Juni 2016



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