Was für ein Konzept verfolgte die Kölner Polizei, als die Beamten am vergangenen Samstag in die „Anti-Militär-Parade“ des Bündnisses „Rheinmetall Entwaffnen“ stürmten und 147 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verletzten – 18 davon so schwer, dass sie im Krankenhaus versorgt werden mussten? Hinweise zu dieser Frage gab es vor Ort: „Wir verprügeln sie heute so sehr, dass sie danach nicht mehr demonstrieren“, so ein Polizist in Gegenwart einer Demonstrantin.
Der Demonstrationszug von „Rheinmetall Entwaffnen“ hatte sich kurz zuvor mit einer vom Kölner Friedensforum organisierten Versammlung zusammengeschlossen. Rund 3.000 Menschen waren gekommen, um gegen die geplante „Kriegstüchtigkeit“, gegen Wehrpflicht und Hochrüstung zu protestieren. Erwartet wurden sie von einem Aufgebot von 1.600 Polizisten mit bereitgestellten Wasserwerfern und Räumpanzern. Von Anfang an wurde die Versammlung schikaniert und verzögert. Doch die Provokationen blieben erfolglos. Also sorgte der Staat für die – offenbar gewünschte – Eskalation. Mit Schlagstöcken, Faustschlägen und Pfefferspray gingen die Beamten auf einen zuvor abgetrennten Teil der Demonstrierenden los, kesselten Hunderte über Stunden ein und erzwangen die Auflösung der Versammlung.
„Die Polizei hat Menschen notärztliche Behandlung verwehrt, sie hat unsere Anwältin körperlich angegriffen, anwesende Presse festgenommen und den festgesetzten Personen wurde zeitweise Zugang zu Trinken und Toiletten verwehrt“, kommentierte Luca Hirsch vom Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ das Geschehen. Augenzeugen berichteten von Gewalt gegen Minderjährige und Sanitäter sowie von bewusstlosen Personen im Kessel. Auch die als Parlamentarische Beobachterin anwesende Bundestagsabgeordnete Lisa Schubert („Die Linke“) wurde nach übereinstimmenden Aussagen angegriffen, als sie zu vermitteln versuchte.
Die Parade sollte der Höhepunkt des in der Woche zuvor abgehaltenen Protestcamps von „Rheinmetall Entwaffnen“ in Köln werden. Das Camp war den Behörden schon frühzeitig ein Dorn im Auge – aber die von der Polizei Köln erlassene Verbotsverfügung wurde vor Gericht gekippt. Die Polizei revanchierte sich handfest für die juristische Niederlage.
Doch der Versuch, diejenigen zu bestrafen, die beim Streben nach „Kriegstüchtigkeit“ aus der Reihe tanzen, ist gleich mehrfach gescheitert. Es ist der Staatsgewalt nicht gelungen, den Protest zu spalten. Stattdessen gab es Solidaritätsbekundungen von verschiedenen Organisationen aus der gesamten Republik. In Nürnberg meldete die SDAJ noch für den Sonntagabend eine Kundgebung in Solidarität mit allen von der Repression in Köln Betroffenen an. Auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) protestierte in einer Erklärung gegen den „Racheakt der Militaristen“.
Gescheitert ist auch das Vorhaben, antimilitaristischem Protest die Legitimation abzusprechen. Offenbar überrascht davon, dass das eigene Vorgehen überhaupt hinterfragt wurde, verhedderte sich die Kölner Polizei in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit. In einer Pressemitteilung vom Sonntagmorgen begründete die Behörde ihr Vorgehen unter anderem damit, dass „Teilnehmende sich vermummt, Rauchtöpfe gezündet und Schutzbewaffnung angelegt“ hätten. In einer weiteren Pressemitteilung am Folgetag waren die Rauchtöpfe kein Thema mehr, stattdessen hatten die Beamten nun „Teleskop-Eisenstangen“ ausgemacht und „schwarzgekleidete Personen“ beobachtet, die „unter einer großen Fahne“ abgetaucht seien. Ergänzt wurde diese Darstellung durch die übliche Behauptung, dass es Angriffe auf die Polizei und zwölf verletzte Beamte (davon vier dienstunfähig) gegeben habe.
Nach einer Anfrage von UZ fand das behördliche Mitteilungsbedürfnis jedoch ein jähes Ende. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ äußerte sich die Polizei Köln nicht zu den Fragen, wie sie sich die ungewöhnlich hohe Zahl an verletzten Demonstranten erklärt, ob es einen Befehl gab, Sanitätern den Zugang zu verwehren, und wie viele Minderjährige in Gewahrsam genommen worden waren.
Welche Weisungen zur Eskalation in Köln führten, bleibt vorerst im Dunkeln. Fest steht, dass es in der deutschen Politik genug Akteure gibt, die ein Klima schaffen wollen, in dem Kriegsgegner eingeschüchtert werden. Doch der Kölner Kessel hat sein Ziel verfehlt. Die Mobilisierung für kommende Friedensdemonstrationen läuft auf Hochtouren – jetzt erst recht! Die Solidarität ist ungebrochen, und auch „Rheinmetall Entwaffnen“ hat der Stadt Köln bereits ein Versprechen gegeben: „Wir kommen wieder!“