Dritte Staffel von „Babylon Berlin“ läuft an

Glanz und Elend

Volker Kutscher ist der Erfinder der literarischen Figur Gereon Rath, eines Kölner Kriminalbeamten, den es, nachdem er im Dienst einen Mann getötet hat, nach Berlin verschlägt. 1929 tritt der Beamte seinen Job im Polizeipräsidium am Alexanderplatz an. Sieben Rath-Romane hat Volker Kutscher geschrieben, sie wurden von Beginn an, also seit 2007, nicht nur hoch gelobt, sie waren auch alle Publikumsrenner. Alle Romane hat er in die Endphase der Weimarer Republik und folgerichtig, da sich so vieles schon in den letzten Jahren vor 1933 abzeichnete, in die Zeit des Faschismus in Deutschland gelegt.

Volker Kutscher hatte mehrere Anfragen von Filmemachern, die ein Grundinteresse an seinem Romanstoff bekundeten. Die Romane boten sich dafür an: Das Zeitgeschehen, der Ort Großstadt, die schmutzigen Fälle und die nicht wenigen korrupten Polizisten. Folgerichtig wurden 16 Drehbücher geschrieben für zwei Staffeln mit jeweils 8 Folgen, über 40 Millionen Euro wurden für das Budget eingesammelt. Der Streamingdienst Sky bot der ARD an, sich zu beteiligen, um das Filmprojekt zu stemmen und für eine viel breitere, weltweite Ausstrahlung zu sorgen. Bedingung: Sky durfte vorab in seinem Bezahlkanal ausstrahlen, die ARD kam erst Monate später zum Zuge. Ein gigantisches, zumindest für deutsche Fernsehanstalten bisher nicht realisiertes, Vorhaben ging an die Arbeit: 300 Drehorte, 185 Drehtage, 230 Sprecherrollen, 5.000 Komparsen, 2.200 Stunden Drehmaterial.

Nach der Ausstrahlung ab Mitte Oktober 2017 begann man bei Sky zu jubeln. Mit 2,3 Millionen Zuschauern für die 16 Folgen und durchschnittlich 570.000 Zuschauern pro Folge war der Pay-TV-Anbieter sehr zufrieden. Die deutsche Produktion war reichweitenstärker als die ersten sechs Staffeln von „Game of Thrones“ (GoT) – die HBO-Serie war zuvor das Erfolgsformat. Der Jubel hielt auch bei der ARD an: Durchschnittlich sahen fast fünf Millionen Zuschauer – 4,92 Millionen – die 16 Folgen, die im Schnitt einen Gesamtmarktanteil von 15,9 Prozent erzielten. Mittlerweile nudeln die Dritten Programme der öffentlich-rechtlichen Sender in Wiederholungsschleifen die beiden Staffeln noch mal ab und schaffen ganz nette Zuschauerzahlen.

Geplant war von Anfang an, dass weitere Staffeln folgen werden, es sei denn, ein gigantischer Flop wäre produziert worden. Die Serie fand weltweit große Aufmerksamkeit, sie wurde in mehr als 100 Länder bisher verkauft. Bei dem wirtschaftlichen Erfolg war schnell klar, es geht weiter. Staffel 3 ist bereits abgedreht und Sky beginnt mit der Ausstrahlung an diesem Freitag, die ARD wird dann, wie verabredet, im Herbst mit der Staffel beginnen. Staffel 4 ist in Arbeit, die Kutscher-Romane können noch reichlich ausgeschlachtet werden.
Der Trailer für die dritte Staffel ist seit Wochen zu sehen. Der Eindruck mag täuschen: Die Filmemacher berauschen sich an aufwendigen Szenen, jeder Menge künstlicher Dramatik, vielen Handlungsfäden, bei denen man hofft, dass sie auch zusammenfinden. Die Filmfabrik Potsdam-Babelsberg zeigt „Wir können alles, und das auch richtig groß“ und gibt ihre Visitenkarte ab für weitere Großproduktionen. Volker Kutscher gibt keine neuen, freundlichen Statements ab, ob er keine Zeit hat, weil er weiterschreiben soll/muss, um Vorlagen zu liefern, oder ob er so langsam nicht mehr mitmachen möchte bei diesem aufgeblähten Großmannsprojekt?

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Glanz und Elend", UZ vom 24. Januar 2020



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