Über Baerbock und den Weltklimarat

Grüne Zukunft

Walter Reber

Anders als die Lichtgeschwindigkeit ist die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, wie sie das Pariser Klimaabkommen vorsieht, kein Naturgesetz. Sie ist eine Übereinkunft, mit der Kosten von Maßnahmen gegen und Schäden durch die Klimaveränderung in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden sollen. Das heißt: Vertretbar nach Ansicht der Politiker und Interessenverbände, die dabei das Sagen hatten. Zuvor hatten deutsche Klimaforscher 1 Grad als maximal akzeptable Erwärmung vorgesehen, bald werden wir die 1,5-Grad-Grenze überschreiten und uns auf 2 Grad orientieren. Auch die werden wir wohl schaffen.

Nun hat der Weltklimarat einen neuen Bericht verfasst, der die aktuellen Ergebnisse und Erwartungen der Klimaforschung zusammenfasst. Fazit: „Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen.“ Das ist wenig überraschend. Statt zu fallen ist der weltweite Ausstoß an klimarelevanten Gasen 2022 im Vergleich zum Jahr davor sogar gestiegen. Mit ein Grund dafür: Der Versuch des Westens, weniger klimaschädliches Gas aus Russland durch Kohle und Öl zu ersetzen, „Freedom-Koks“, sozusagen.

Deutschland hat im vergangenen Jahr 8 Prozent mehr Kohle importiert als 2021. Kohlekraftwerke – die Klimakiller – wurden reaktiviert, es gibt keinen Hinweis darauf, dass ihr Einsatz in naher Zukunft zurückgeht. In der Folge produzierten mehr Kohlekraftwerke Strom, während der Einsatz von Gaskraftwerken reduziert wurde. Schlecht ist das auch für die Nutzer von Wärmepumpen und E-Autos, die mindestens zum Teil auf den deutschen Strommix angewiesen sind.

Mit dem Anstieg der globalen Temperatur über 1,5 Grad werden „verschiedene Klimagefahren gleichzeitig auftreten und mit nicht klimabedingten Risiken zusammenwirken. Das Gesamtrisiko wird damit weiter steigen“, heißt es im neuen Klimabericht. Risiko? Welches Risiko, fragt die Ministerin für Fragen von Krieg und Frieden und jetzt auch Klimapolitik. „Es ist weiterhin möglich, die 1,5 Grad in Reichweite zu halten, wenn wir in den nächsten sieben Jahren die globalen Emissionen halbieren.“ Es ist ein rein virtuelles Halbieren in einer Phantasiewelt. Interessen, Bedingungen, Widrigkeiten zählen da nicht. Naiv ist Baerbock dennoch nicht. Es gilt, die Grünen-Wähler mit Frackinggas und Kohlenutzung zu versöhnen. Die richtige „grüne“ Zukunft kommt dann nach dem Krieg.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Grüne Zukunft", UZ vom 31. März 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Schlüssel.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit