Für Butter, Jugend und Palästina: So lief die bundesweite Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin

Ihre Scheißkriege beenden!

Es war ein Tag der klaren Worte. „Wir wollen eure Kriege nicht!“, rief Wiebke Diehl von der „Initiative Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“ den rund 20.000 Menschen zu, die sich auf dem Berliner Bebelplatz versammelt hatten. Immer wieder mussten sie und Jutta Kausch-Henken, die die Teilnehmer der bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober begrüßten, kurze Pausen einlegen, um dem Applaus der Masse Raum zu geben.

Trotz alledem, trotz massiver Hochrüstung, trotz der drohenden Wehrpflicht, trotz der offensichtlichen Kriegsvorbereitungen zog sich ein spürbarer Optimismus durch die Versammlung. Auf der Abschlusskundgebung sollte dann die SDAJ-Bundesvorsitzende Andrea Hornung, die für das Bündnis „Nein zur Wehrpflicht“ sprach, dieses Gefühl aufgreifen und unter Jubel ausrufen: „Wir werden diesen Krieg verhindern!“

Zwischen Auftakt und Abschluss lagen mehr als vier Stunden mit einer kraftvollen Demonstration, spannenden Reden und kämpferischen Kulturbeiträgen. Immer wieder wurde die Kundgebung zum Konzert, wenn Künstler wie der Rockpoet Tino Eisbrenner, der Rapper Masur, die Gruppe „Strom & Wasser“ oder der deutsch-argentinische Musiker Pablo Miró auf die Bühne kamen.

Aufgerufen hatten mehr als 500 Initiativen, Organisationen und Parteien. Entsprechend breit war die Beteiligung. Auf dem Platz traf man auf Vertreter von BSW, DKP, SDAJ, Linkspartei und der Linksjugend solid sowie auf Friedensbewegte aus den verschiedensten Bündnissen, Organisationen und Gewerkschaften. „Abrüsten fürs Klima“, forderten die Internationalen Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Die Freidenker setzten sich für „Frieden und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation“ ein. Ein paar IG-Metaller hatten sich Westen mit dem Slogan „friedensfähig statt kriegstüchtig“ übergestreift. Auf selbstgebastelten Schildern wandten sich Teilnehmer gegen die Bedrohungslüge und machten deutlich: „Russland ist kein Feind“. Unübersehbar war die SDAJ, die mit einem großen Banner und mit zahlreichen Fahnen gegen die Wehrpflicht protestierte. Schon von weitem zu hören war der große palästinasolidarische Block, der mit Trommeln und Sprechchören für das Ende des Genozids in Gaza und die Befreiung Palästinas auf die Straße ging.

photo 2025 09 27 21 26 00 - Ihre Scheißkriege beenden! - 3. Oktober 2025, Andrea Hornung, Berlin, BSW, Christian Leye, DKP, IPPNW, Jutta Kausch-Henken, Linksjugend, Linkspartei, Masur, Özlem Demirel, Pablo Miró, Ralf Stegner, SDAJ, SPD, Strom & Wasser, Tino Eisbrenner, Wiebke Diehl - Hintergrund
… für Frieden mit Russland und China und in Solidarität mit Palästina (27. September 2025, Berlin). (Foto: DKP Berlin)

Die klassische Friedensbewegung und die Bewegung für die Freiheit Palästinas zusammenzubringen war ein erklärtes Ziel – nicht nur der Veranstalter, sondern auch der Deutschen Kommunistischen Partei, die auf ihrem Lautsprecherwagen mehrere Rednerinnen und Redner der Berliner Palästinasolidarität empfing. Am Ende der Demonstration hatte sich ein gemeinsamer Block gebildet, in dem sich die roten Fahnen mit Hammer und Sichel sowie die schwarz-weiß-grün-roten Banner Palästinas vermischten. „Free, Free Palestine“, tönte es im Takt der Trommeln.

Nur wenige hundert Meter davor: eine riesige Fahne der SPD, getragen von einem kleinen Grüppchen. „Wir kommen von DL21“, sagt einer von ihnen. Das Bündnis der Linken in der SPD hatte zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen, ebenso wie die Initiative „Mehr Diplomatie wagen“ und die AG 60 plus, mit rund 250.000 Mitgliedern immerhin die größte Arbeitsgemeinschaft innerhalb der SPD. In der Partei sei mehr los als an die Oberfläche dringt, versichern die friedensbewegten Sozialdemokraten in Berlin. Sie seien dabei, sich bundesweit zu vernetzen und in die Diskussionen über das neue Grundsatzprogramm ihrer Partei einzugreifen. Sie verweisen auf ihren Erfolg auf dem vergangenen Parteitag. Da sei es trotz massiven Gegenwinds und „handverlesenen“ Delegierten gelungen, ein Drittel des Parteitags gegen das 5-Prozent-Ziel der NATO zu mobilisieren. „Das, was Pistorius macht, ist nicht Beschlusslage in der SPD“, sagt einer von ihnen. „Es gibt Friedenskräfte in der SPD“, gibt mir seine Genossin mit auf den Weg. „Schreibt uns nicht ganz ab.“

Auf der Bühne war die SPD durch den Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner vertreten. Der war ein Jahr zuvor noch von der Masse ausgepfiffen worden, weil er Waffenlieferungen an die Ukraine und nach Israel verteidigt hatte – entgegen dem Konsens der Versammlung. In diesem Jahr bewegte sich Stegner einen Schritt auf die Friedensbewegung zu. Buhrufe gab es trotzdem, als Stegner etwas verklausuliert erklärte, er sei dafür, „dass die Ukraine sich verteidigen kann“. Aber es gab auch Applaus, etwa als Stegner die Behauptung aufgriff, dass die Aufrüstung dem Frieden diene: „Wer soll das glauben?“. Diejenigen, die nun einen Spannungsfall herbeireden oder den „Krieg nach Russland tragen“ wollen, fragte er: „Was ist das für ein gefährlicher Unfug?“ Im Zentrum von Stegners Rede stand die Forderung nach einem System der „gemeinsamen Sicherheit“ mit Russland.

Mit diesen Äußerungen zog Stegner links am rechten Flügel der Linkspartei vorbei. Allerdings nicht an der EU-Abgeordneten Özlem Demirel, die sich klar gegen die Erzählung positionierte, dass mit Waffenlieferungen „Demokratie und Freiheit“ verteidigt würden. Sie forderte einen Stopp der Waffenexporte in die Krisenherde der Welt und kritisierte die deutsche Komplizenschaft beim Genozid in Gaza. Die Bundesregierung rief sie dazu auf, endlich das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anzuerkennen.

Zurück auf dem Platz. Die Hoffnungen der friedensbewegten Sozialdemokraten unter den Teilnehmenden beruhen unter anderem auf den Diskussionen, die die bevorstehende Einführung der Wehrpflicht im Jugendverband entfacht hat. Auch hier sei nicht alles so, wie es scheint. Der „Kompromiss“, den Juso-Chef Philipp Türmer mit dem Kriegsminister Boris Pistorius ausgehandelt hatte, entspreche nicht dem Diskussionsstand im Jugendverband. Während des vergangenen Parteitags hatten sich Türmer und Pistorius auf die Einführung eines „freiwilligen Wehrdienstes“ geeinigt. Mit dem dann vorgelegten Gesetz hatte Pistorius allerdings die Voraussetzungen für eine Pflicht geschaffen.

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Klare Botschaft: Eure Kriege – nicht mit uns! (Foto: Johannes Hör)

Dass die Bedrohung durch die Wehrpflicht das Potential hat, einen größeren Teil der Jugend auf die Straße zu bringen, war in Berlin nicht zu übersehen. Moderatorin Jutta Kausch-Henken sprach aus, was viele dachten, als sie sich darüber freute, „dass nicht nur Grauköpfe hier sind“. Ein erheblicher Teil der Teilnehmenden waren Jugendliche oder junge Erwachsene. „Lieber Party am Strand als im Schützengraben verbrannt“, brachte einer von ihnen die Sache auf den Punkt. Die jungen Gewerkschafter von ver.di und IG BAU beteiligten sich mit einem großen Banner „Gegen Aufrüstung und Wehrpflicht“. Nicht nur durch den Auftritt dieser Kolleginnen und Kollegen wurde deutlich, dass der Kampf für Frieden und gegen die Wehrpflicht mit der sozialen Frage zusammenhängt, sondern auch auf der Bühne.

Andrea Hornung machte deutlich, dass es die Kinder der Arbeiterklasse sind, die in den Krieg geschickt werden: „Diejenigen, die sich keine Privatschule leisten können. Die schon seit Jahrzehnten in kaputten Schulen sitzen. Die keinen Studien- und Ausbildungsplatz kriegen – oder diesen mit einem Zweit- oder Drittjob finanzieren müssen. Diejenigen, die die Bundeswehr schon heute mit angeblich sicheren Jobs ködert.“

Zuvor hatte Christian Leye, Generalsekretär des BSW, die Auftaktkundgebung genutzt, um zu erklären, dass die Frage von Krieg und Frieden „zuerst und vor allen Dingen eine Klassenfrage“ ist. Um die Aufrüstung zu bezahlen, werde uns die Zukunft genommen, oder einfach gesagt: „Ihre Scheißkriege sind nicht unsere Scheißkriege.“ Gegen den von der Bundesregierung angekündigten „Herbst der Reformen“ setzte er einen „Herbst des Widerstands“.

Dass es diesen Widerstand braucht, war allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern klar. Auch, dass der Herbst vermutlich nicht reichen wird, um das Kriegs- und Hochrüstungsprogramm des deutschen Imperialismus zu stoppen. Doch der Anfang ist gemacht und ein Grundstein für das weitere Zusammenrücken von Friedens-, Gewerkschafts- und Palästinabewegung gelegt.

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"Ihre Scheißkriege beenden!", UZ vom 10. Oktober 2025



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