Israelische Soldaten verweigern Rückkehr nach Gaza, namhafte Künstler fordern Sanktionen gegen das eigene Land

Israel treibt Siedlungsbau voran

Eine „Belohnung für die monströsen Taten der Terroristen“, ein „moralischer Zusammenbruch“ oder gar „eine Strafe für die Opfer des Terrorismus“: Die Reaktionen israelischer Politiker von Benjamin Netanjahu bis zum früheren Ministerpräsidenten Naftali Bennett auf die Ankündigung, Frankreich werde einen palästinensischen Staat anerkennen, sprechen für sich. Sie hat offenbar einen Nerv getroffen. US-Außenminister Marco Rubio ging sogar noch weiter. Er nannte sie eine rücksichtslose Entscheidung, die nur der Propaganda der Hamas diene und den Friedensprozess verzögere. Und das nach 30 Jahren internationaler Tatenlosigkeit.

Regierung und Parlament sind in ihrer Ablehnung eines palästinensischen Staates einig. Auch in der Bevölkerung zeigt sich eine klare Tendenz. Vor Beginn des Krieges ergab eine Umfrage, dass eine Mehrheit von 51 Prozent der Befragten für Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung war, dagegen waren 37 Prozent. Inzwischen hat sich die Situation geändert. Je nach Auftraggeber der Befragung sank die Zustimmung für Verhandlungen auf bis zu 35 Prozent. Eine weitere Umfrage ergab sogar eine Mehrheit von 71 Prozent – gegen eine Zweistaatenlösung.

Um die Verhinderung dieser Lösung auch vor Ort abzusichern, plant die Regierung, den Aufbau einer neuen Siedlung mit Tausenden von Wohneinheiten im Herzen der Westbank voranzutreiben. Die Siedlung „E1“ („East 1“) im Osten von Jerusalem soll faktisch die Westbank in einen nördlichen und südlichen Teil spalten. Aufgrund von Druck vor allem der USA wurde die Planung dieser Siedlung immer wieder unterbrochen. Am 6. August soll der Planungsprozess mit der Anhörung von Einsprüchen fortgesetzt werden.

Nachdem auch die Schas-Partei die Koalition verlassen hat, kann sich Netanjahu nicht mehr auf die nötigen mehr als 60 Abgeordneten stützen. Solange aber die sommerliche Sitzungspause der Knesset andauert, kann er seine Politik – und seine Kriege – nahtlos fortsetzen.

Bei Neuwahlen würde die Regierungskoalition ihre Mehrheit verlieren. Netanjahu und seine Partei Likud aber könnten gestärkt aus Wahlen hervorgehen.

In Opposition zu der rechten israelischen Regierung gibt es regelmäßig Proteste und Demonstrationen von Tausenden Israelis, die Verhandlungen und ein Ende des Krieges in Gaza fordern. Oft werden einzelne Teilnehmer oder Demonstrationen insgesamt unter Druck gesetzt – von Polizei oder einem faschistischen Mob.

Doch der Widerstand gegen den Genozid in Gaza geht tiefer. Zum ersten Mal verlangt Zion Hagay, der Präsident des israelischen Ärztebundes, die Lieferung von medizinischen Gütern und grundlegender humanitärer Hilfe in den Gazastreifen. Und Hunderte früherer hochrangiger Mitarbeiter der Geheimdienste fordern in einem Schreiben an US-Präsident Donald Trump, er solle Netanjahu drängen, den Krieg zu beenden.

Dutzende Reservisten einer Sanitätseinheit haben sich geweigert, zum Einsatz in Gaza zurückzukehren. Das wird – nach israelischen Medienberichten – zunehmend zum Problem für das israelische Militär. Mehr und mehr Reservisten melden sich nicht zum Dienst – wegen Erschöpfung nach mehreren Dienstzeiten in Gaza oder weil sie die Politik der rechten Regierung ablehnen.

Und schließlich gibt es einen offenen Brief von 31 herausragenden israelischen Kulturschaffenden und früheren Politikern. Darin heißt es: „Unser Land hungert die Menschen in Gaza zu Tode und spielt mit dem Gedanken, Millionen zwangsweise aus Gaza zu vertreiben. Die Internationale Gemeinschaft muss lähmende Sanktionen gegen Israel verhängen, bis das Land seinen brutalen Feldzug beendet und einen andauernden Waffenstillstand umsetzt.“

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Israel treibt Siedlungsbau voran", UZ vom 8. August 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit