Laut Benjamin Netanjahu „bedauert“ Israel zutiefst das „tragische Missgeschick“, das sich im Nasser-Krankenhaus in Gaza „ereignet hat“. Zu dieser Einlassung des israelischen Ministerpräsidenten fehlen einem die Worte. Denn was sich da „ereignet hat“ in dem Krankenhaus in Chan Yunis in Gaza war ein Angriff der israelischen Armee – und zwar einer der perfidesten Sorte.
Der erste Angriff erfolgte laut Augenzeugen mit einer Drohne auf den vierten Stock des Empfangsgebäudes der Klinik, in dem sich Journalisten aufhielten. Als Ersthelfer und Mediziner mit der Bergung der Verletzten begannen, die Menschen aus dem Gebäude trugen, griff die israelische Armee erneut aus der Luft an – nur wenige Minuten nach der ersten Attacke und gezielt auf die Helfenden. Mindestens 20 Menschen wurden getötet.
Ein Ziel nach wenigen Minuten erneut anzugreifen ist kein „Missgeschick“. Es ist ein gezielter Angriff auf diejenigen, die das Leid lindern wollen, und auf die, die darüber berichten. Neben mehreren Notfallsanitätern wurden bei dem Angriff auf das Nasser-Krankenhaus auch vier Journalisten und eine Journalistin von der israelischen Armee ermordet.
Es waren der Journalist Hossam Al-Masri, der als Kameramann für die Nachrichtenagentur Reuters tätig war, und Mohammed Salama, Fotojournalist für den arabischen Sender „Al-Dschasira“, die für die Agentur AP arbeitende Fotojournalistin Mariam Abu Daqqa, Moaz Abu Taha vom US-Sender NBC und Ahmad Abu Aziz vom „Quds Feed Network“. Sie alle wurden getötet, weil sie die Wahrheit über den israelischen Völkermord in Gaza berichtet haben.
Weltweit herrscht Entsetzen und Wut über die erneute gezielte Tötung von Journalistinnen und Journalisten in Gaza. Die „Foreign Press Association“ rief die Staats- und Regierungschefs weltweit auf: „Tun Sie alles in Ihrer Macht Stehende, um unsere Kollegen zu schützen. Wir können das nicht alleine schaffen.“
Auch wir sind wieder entsetzt und wütend, auch wir trauern um unsere ermordeten Kolleginnen und Kollegen in Gaza. Doch hierzulande geht das nicht allen Journalistinnen und Journalisten so. Da wird weiter die israelische Propaganda vom „getarnten Terroristen“ wie im Fall des ebenfalls in Gaza ermordeten Journalisten Anas Al-Scharif reproduziert, die Mär vom zufälligen und versehentlichen Tod nachgeplappert und die Solidarität mit den getöteten Kolleginnen und Kollegen verweigert. Ganz vorne mischt dabei Jörg Reichel mit, Landesgeschäftsführer der „Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union“ für Berlin und Brandenburg. Ausgerechnet ein Funktionär einer ver.di-Gewerkschaft hat mitgemacht bei der Verhöhnung und Verleumdung von Anas Al-Scharif. Er, der eigentlich für den Schutz seiner Kolleginnen und Kollegen einstehen müsste, dokumentiert jeden leichten Rempler Richtung Personen mit Presseausweis auf Palästina-Demos in Berlin unter dem Hashtag „Pressefreiheit“. Zum Tod von Al-Masri, Salama, Abu Daqqa, Abu Taha und Abu Aziz nur Schweigen. Es ist eine Schande.
Die Journalisten in Gaza müssen sterben, weil sie die Wahrheit über den Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern berichten. Und der geht ungehemmt weiter. Es wurden am Montagmorgen nicht nur die 20 Menschen beim Angriff auf das Nasser-Krankenhaus getötet. Sechs Menschen wurden von israelischen Schützen auf dem Weg zu einer Verteilstelle für Hilfsgüter im Zentrum Gazas getötet, 15 wurden verletzt. Drei Palästinenser, darunter ein Kind, starben bei einem Angriff auf Gaza-Stadt in Vorbereitung der israelischen Bodenoffensive. Es sind nur die jüngsten der knapp 63.000 palästinensischen Opfer.