Falsche Emojis und echte Peinlichkeiten

Kann nich’ sein

Nicht-Boulen I. Sonntag. Es regnet Katzen und Hunde und übergewichtige Einhörner, man kann wirklich keine zwei Schritte gehen, ohne komplett durchnässt zu sein. M. aus Bochum schreibt in die Boulegruppe: „Wetterbedingt verzögert sich meine Abfahrt“ und setzt ein Grinse- und ein Schlauchboot-Emoji dahinter. Ich tippe darunter „Bin da“, mit einem Pinocchio-Emoji. Gartenbro A. schreibt: „Schauerboule, bin auch dabei“. Und ich denke noch …

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Ärzte. Diesmal Füße/Beine untersuchen, „pAVK“ wird das genannt, auch „periphere arterielle Verschlusskrankheit“. Fahre eine halbe Stunde nach Dortmund-Mengede, sitze eineinhalb Stunden im Wartezimmer. Nachdem wirklich alle anderen Patienten raus sind, werde ich aufgerufen. Endlich! Dann wird mir peinlich berührt gebeichtet, dass sie die Untersuchung gar nicht können, sie haben die Geräte nicht. Und das, obwohl ich am Telefon genau danach gefragt hatte und die Überweisung abgegeben habe. „Das muss die Praktikantin gewesen sein.“ Hätte ich tatsächlich das umgesetzt, was mein erster Impuls war, wäre ich jetzt auf der Flucht. Für immer. Ganz ehrlich? Kann nich‘ sein.

Nicht-Boulen II. So ein Pinocchio-Emoji spricht ja eigentlich für sich. Oder gegen das Gesagte. Ironie halt. Oder Lüge. Ein Witz halt nur. Ich hab aber plötzlich ein schlechtes Gefühl bei der Boule-Geschichte. Und tatsächlich: Der Gartenbro schickt ein Foto seiner völlig durchnässten Hose und Schuhe im Unterwasserlook und schreibt: „40 Minuten zum Boulen gelaufen. Keiner da. Besten Dank auch!“ Au Backe.

Terror. Mehr als 130 Schreiben mit brutalen rassistischen Beleidigungen und Todesdrohungen gingen an mehr als 30 Personen und 60 Institutionen, die sich zuvor gegen rechte Gewalt positioniert hatten. Der Täter: Ein Einzeltäter. Wieder mal. Dass die Daten der Opfer nachweislich von verschiedenen Polizeicomputern abgerufen worden waren – Schnickschnack. So erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), es sei „nie ein hessischer Polizist für die NSU-2.0-Drohmail-Serie verantwortlich“ gewesen. Weil, was nicht sein kann: Kann nich‘ sein.

Nicht-Boulen III. Wiedergutmachung, aber wacker! Es regnet immer noch mittelgroße Opossums, M. aus Bochum und ich eilen zur Kneipe, in der der Gartenbro A. stocksauer Fußball guckt. Entschuldigen uns aufs Äußerste, spendieren Pils und Bienenhonig und Worte und Gesten. 15 Minuten hält A. die Grimmigkeit im Gesicht, dann muss er doch lachen: „Vielleicht hätte ich ja auch noch mal nachfragen sollen, hat ja gepisst wie Sau!“ Uff! Der BVB verliert derweil das Spiel mit 2:5. Und wir drei so: Kann nich‘ sein.

Wahnsinn. „Der reale US-Militärhaushalt könnte im kommenden Jahr die Billionenschwelle reißen.“ (jW) Die selbsternannte Friedensmacht gibt also ein paar Nullen für Rüstung aus. Nämlich so viele: 1.000.000.000.000. Also in Dollar. Und die deutschen Medien wollen mir Angst vor dem Russen aufschwatzen. Ganz ehrlich? Nein.

Sturm Ylenia. Ich fahre zum Garten, schauen, ob der Wintergartenanbau noch steht. Eine junge Frau am Eingang der Anlage: „Na, mal nach dem Rechten sehen?“ „Jau“, rufe ich frivol, „und nach dem Linken!“ Sie müde „Haha“, ich falle augenblicklich in eine virtuelle Peinlichkeitsgrube voller Nacktmulle und denke mir: Junge, kannst du nicht einfach mal die blöde Schnauze halten? Wenigstens einmal?! Wirklich: Kann nich‘ sein.

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"Kann nich’ sein", UZ vom 25. Februar 2022



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