Neue Namen für die „Hall of Fame“ des bundesdeutschen Sports

Keine Chance für Täve Schur

Von Klaus Huhn

Dieser Tage wurden wieder neue Mitglieder der sogenannten „Hall of Fame“ gewählt – „sogenannt“, weil es eigentlich kaum Gründe gibt, in Deutschland einer Ruhmeshalle einen englischen Titel zu geben. Die Initiatoren hatten allerdings schon vor acht Jahren in der „Rheinischen Post – Online“ (6.5.2008) eine ungewöhnliche Erklärung für die Wahl des Namens mitgeteilt: „Dass über der Gründungszeremonie der Ruhmeshalle trotz der glänzenden Rahmenbedingungen ein Schatten lag, hat mit der Auswahl ihrer Mitglieder zu tun. Kritiker monierten, dass mehrere der Auserwählten Mitglied der NSDAP oder Repräsentanten des Hitler-Regimes gewesen seien – wie etwa Funktionär Willi Daume, Läufer Rudolf Harbig, Radfahrer Gustav Kilian, Trainer Sepp Herberger oder Reiter Josef Neckermann. Wie könnten sie auf diese Art geehrt werden, lautete die Frage.“ Die Zeitung zitierte auch eine Antwort: „Der Aufsichtsratschef der Deutschen Sporthilfe, Hans Wilhelm Gäb, konterte die Angriffe. Wer die mehr als 100-jährige Historie des deutschen Sports ‚im kollektiven Gedächtnis unseres Landes’ bewahren wolle, müsse sich auch der Zeit der Nazi-Diktatur stellen“. Eine mehr als gewagte Begründung, zumal Gäb auch noch hinzufügte: „Um überhaupt erst gar nicht Verbindungen zu Nazi-Vokabular herstellen zu lassen, habe man auch davon abgesehen, die neue Einrichtung ‚Ruhmeshalle’ zu nennen, sondern eben ‚Hall of Fame’.“

Die „Rheinische Post“ hatte schon in ihrer Schlagzeile ein weiteres brisantes Thema aufgeworfen: „Zu wenig DDR-Sportler!“. Ein brisanter Hinweis. Wer sich erinnert, wie sich das Gremium zusammensetzt, das darüber befindet, wer in die Halle aufsteigen darf, wird sich nicht wundern: Die Palette reichte vom adidas-Chef über „ausgesuchte Persönlichkeiten“ bis zum Verein der Sportjournalisten. Es stellte sich jedoch heraus, dass dieser Kreis in entscheidenden Situationen zudem noch Gremien konsultierte, die kaum als kompetent zu betrachten waren. So vereitelte 2012 die Gruppe der „DDR-Dopingopfer“ die Berufung des zweifachen Radweltmeisters Gustav Adolf Schur in die Halle mit der Begründung, er sei die „zentrale Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports“ gewesen. Also: Blanker Antikommunismus. Damit war faktisch auch erklärt, warum so wenig DDR-Sportler berufen worden waren, obwohl die DDR bei den fünf Olympischen Spielen, an denen sie mit eigener Mannschaft teilgenommen hatte, 112 Goldmedaillen errungen hatte und die BRD 56.

Aber nicht nur der Anti-Doping-Verein war um Rat gefragt worden. Im Presseportal des Sportbunds vom 24. Mai 2016 wurde allen Ernstes mitgeteilt, dass die „Jahn-Behörde“ vor der Entscheidung, wer in diesem Jahr in die Halle aufgenommen werden soll, befragt worden war. Zum Charakter dieser Instanz muss man dem UZ-Leser keine Auskünfte geben. Sie hantiert seit Jahren mit mysteriösen „Akten“ und hat tausende Ex-DDR-Bürger durch Denunziationen um ihren Job gebracht.

Wie viel Sinn blieb da noch, das Gremium „Halle des Ruhms“ namentlich zu benennen?

Nicht nur Fachleute wissen, dass der Verein „Sport und Gesellschaft“ sich wegen dieser Haltung entschlossen hatte, ein „Goldenes Buch des deutschen Sports“ anzulegen, in dem Namen und Würdigungen erscheinen, die wohl keine Chance hätten, je in die „Halle“ zu gelangen. Das gilt zum Beispiel für den Turn-Olympiasieger von 1896 Alfred Flatow, der nach seinem Triumph in Athen aus der Turnerschaft ausgeschlossen und 1942 als Jude im KZ Theresienstadt ermordet worden war. Es gibt viele Unterschiede zwischen dem Goldenen Buch und der Ruhmeshalle. Im Buch findet man zum Beispiel den bundesdeutschen Straßenweltmeister Rudi Altig, der sich Ende seiner Laufbahn für krebskranke Kinder einsetzte, aber eben nicht den des Krupp-Direktors Beitz. Und im Goldenen Buch findet man auch den Namen Täve Schur, der als „Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports“ keine Chance hatte, in die Halle aufgenommen zu werden.

Das alles motivierte uns eigentlich nicht, die 16 Namen der jüngst in die Halle aufgenommenen Persönlichkeiten zu nennen, unter denen sich nur drei DDR-Sportler (*)befinden …

Hartwig Gauder (Leichtathletik)*

Eberhard Gienger (Turnen)

Cornelia Hanisch (Fechten)

Peter-Michael Kolbe (Rudern)

Erich Kühnhackl (Eishockey)

Bernhard Langer (Golf)

Meinhard Nehmer (Bob)*

Günter Netzer (Fußball)

Alexander Pusch (Fechten)

Kristina Richter (Handball)*

Walter Röhrl (Motorsport)

Harald Schmid (Leichtathletik)

Arnd Schmitt (Fechten)

Alwin Schockemöhle (Reiten)

Frank Wieneke (Reiten)

Erhard Wunderlich (Handball)

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"Keine Chance für Täve Schur", UZ vom 3. Juni 2016



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