Auch in Zeiten angeblicher Waffenruhe steht die Bundesrepublik unerschütterlich an der Seite Israels und seiner Völkermordpolitik. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) findet, es gebe „keinen Grund mehr, jetzt für Palästinenser in Deutschland zu demonstrieren“. Auch die deutsche Medienlandschaft macht weiter, als wäre nichts gewesen. Am vergangenen Sonntag gab sich „tagesschau.de“ zum Beispiel die Überschrift: „Nach Vorwürfen gegen Hamas – Israel bestätigt Angriffe auf Gazastreifen.“ Korrekt wäre gewesen: „Israel bricht Waffenruhe – mindestens 29 Menschen getötet.“ Im gleichen Zug verstieß Israel zudem gegen weitere Vereinbarungen des sogenannten „Friedensplans“ und unterband die Lieferung humanitärer Hilfe komplett. Dem erneuten Einsatz von Hunger als Waffe, ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention – die am Dienstag dieser Woche an ihrem 75. Geburtstag nichts zu feiern hatte – folgte in Deutschland Schweigen. Zumindest in Medien und Politik.
Doch die Demonstrationen und Mahnwachen für ein freies Palästina gehen auch in Deutschland weiter. Dabei hatte Merz doch gehofft, dass „auch ein bisschen innenpolitisch wieder Ruhe einkehrt“. Diese Ruhe im Sinne der Staatsräson hat die deutsche Politik in den letzten zwei Jahren versucht, autoritär durchsetzen zu lassen. Gerade die Berliner Polizei machte mit Prügelattacken auf Palästina-solidarische Demonstranten von sich reden. Doch auch andernorts ließ man sich nicht lumpen, was das Verbot von Demonstrationen, Transparenten und Slogans anging. Aktivisten der Palästina-Solidarität wurden mit Hausdurchsuchungen drangsaliert, gekündigt oder mit Arbeitsplatzverlust bedroht. Gerichtlich hatte vieles davon keinen Bestand.
Vom UN-Menschenrechtsrat bestellte unabhängige Expertinnen und Experten verlangten von Deutschland daher in der vergangenen Woche, die Kriminalisierung, Bestrafung und Unterdrückung legitimer Solidaritätsaktivitäten für Palästina einzustellen. „Wir sind alarmiert über die anhaltende Polizeigewalt und die offensichtliche Unterdrückung von Solidaritätsaktionen für Palästina durch Deutschland“, teilten sie in Genf mit. Sie forderten Deutschland nachdrücklich auf, seinen Menschenrechtsverpflichtungen nachzukommen und das Recht auf friedliche Versammlung für alle, ohne Diskriminierung, zu achten und zu erleichtern. „Politische Proteste und solche, die Dissens zum Ausdruck bringen, dürfen keinen unangemessenen inhaltlichen Beschränkungen unterliegen.“
Im Gegenteil zur gängigen Praxis müsse Deutschland „Maßnahmen zur Verhinderung von Gräueltaten und Völkermord unterstützen und darf sie nicht unterdrücken“. Die Kritik der vom UN-Menschenrechtsrat bestellten Expertinnen und Experten ist nicht neu. Nach ihren Angaben haben sie regelmäßig Bedenken hinsichtlich unangemessener Einschränkungen palästinensischer Solidaritätsbewegungen geäußert.
Die deutschen Repressionen gegen die Palästina-Solidarität stehen schon lange international in der Kritik. Im vergangenen Sommer schrieb der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, einen Brief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), in dem er das Vorgehen gegen Palästina-solidarische Demonstranten kritisierte. Zudem prangerte er die damit verbundene Einschränkung der Meinungsfreiheit in „Universitäten, Kunst- und Kultureinrichtungen und Schulen“ an. „Vorfälle von exzessiver Gewalt“ gegen propalästinensische Demonstranten müssten „effektiv untersucht, die Verantwortlichen in geeigneter Weise sanktioniert und die Opfer über mögliche Rechtsmittel informiert“ werden. Darauf wartet die Palästina-Solidarität in diesem Land bisher vergeblich. Der Bundeskanzler kann sich darauf einstellen, dass aus der erhofften innenpolitischen Ruhe nichts wird.