Sie haben ihn nach Rom abgeschoben. Bruno Kahl, 63 Jahres alt und bislang Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), darf nun in einer Art Vorruhestandsregelung seine letzten Dienstjahre als deutscher Botschafter im Vatikan verschnarchen. Den Hintergrund dieser Degradierung hat die „Bild“-Zeitung mit Blick auf den BND so auf den Punkt gebracht: „Sie gelten als lustlose Truppe, die auf Informationen aus dem Ausland angewiesen ist.“ In der Tat: Ein Geheimdienstchef mit einem Etat von damals schon über eine Milliarde Euro und 6.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der 2021 kurz vor der hastigen Flucht vor den siegreichen Taliban in Afghanistan die Regierung beruhigte, ein schneller Vormarsch auf Kabul sei nicht zu befürchten, und der persönlich im Februar 2022 nach Kiew flog, um dann – weil er mit dem Beginn der militärischen Operationen der Russischen Föderation nicht rechnete – Hals über Kopf mit dem Zug die ukrainische Hauptstadt wieder verlassen musste, hatte in seiner neunjährigen Amtszeit bewiesen, dass er für das Trimmen des deutschen Imperialismus auf Kriegsbereitschaft bis 2029 der falsche Mann am wichtigen Platz ist.
Sein Nachfolger wird der nur zwei Jahre jüngere bisherige Botschafter in Kiew, Martin Jäger. Der ist in den vergangenen Jahren immer dort zur Stelle gewesen, wo Deutschland versucht hat, wieder ein „richtiges“ imperialistisches Land zu werden, das allen anderen in der Welt seine Melodie vorspielt. Als Pressesprecher und rechte Hand von Wolfgang Schäuble (CDU) pendelte er von 2014 bis 2016 zwischen Athen und Berlin hin und her, um den Griechen in der damaligen Schuldenkrise die deutschen Bedingungen für weitere Kredite zu diktieren. Vorher war er unter anderem Pressesprecher des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) und – häufig als Scherbenzusammenfeger der Versager vom BND – sowohl in Kabul als auch zuletzt in Kiew und zwischendurch im Irak im diplomatischen Dauereinsatz. Karrierefördernd war auch seine zwischenzeitliche Tätigkeit für den Daimler-Konzern von 2008 bis 2013.
Sein Amt hat er seit letztem Montag inne und wurde schon am Donnerstag vorher, obwohl direkt „nur“ dem Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) unterstellt, vom Kanzler persönlich mit großem Öffentlichkeitsaufgebot in sein Amt eingeführt. Als Mitgift hat ihm das Kabinett im Haushaltsplan 2026 sein Budget um 315 Millionen Euro auf dann 1,5 Milliarden erhöht und als Marschbefehl die Worte des Kanzlers in den Tornister gesteckt: „Alte Gewissheiten sind entwertet, bewährte Spielregeln gelten nicht mehr, und das heißt: Wir müssen immer stärker proaktiv handeln.“ Dafür, so Friedrich Merz, brauche die Regierung „Wissensvorsprung“. Deshalb wolle er, „dass der BND nachrichtendienstlich auf dem allerhöchsten Niveau mitspielt“. Noch bedrohlicher als die Geldschwemme für den Geheimdienst ist die Ankündigung einer „lange überfälligen“ Gesetzesnovelle, durch die, so Frei, die Rechte des Dienstes deutlich erweitert würden, um „operative Fähigkeiten“ zu steigern. Jäger selbst machte die durchlässige Grenze zwischen „proaktiv“ und „provokativ“ deutlich, als er betonte: „Wir werden unsere Gegner konfrontieren, wo immer dies nötig ist.“ Dazu werde der Dienst unter seiner Führung auch bereit sein, „mehr und höhere Risiken“ einzugehen.
Dienstbeflissen wie immer, wenn es um Kriegsvorbereitung geht, beklatschte der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Konstantin von Notz, den Personalaustausch mit den Worten, es brauche eine „echte Sicherheitsoffensive der Bundesregierung“.
Auf „bewährte Spielregeln“ nicht mehr achten, „proaktiv handeln“, „Sicherheitsoffensive“, „Gegner konfrontieren“, mehr „Rechte für Geheimdienste“ – wer bisher nicht wusste, wie ein reaktionär-militaristischer Staatsumbau aussieht, weiß es spätestens mit der Ernennung des neuen BND-Chefs Martin Jäger.