Es ist die alte Krux: Innenpolitischen Bruch wollen glücklose Politiker mit außenpolitischer Kraftmeierei kaschieren. Starmer und Macron sind zu Hause von eklatantem Ansehensverlust gezeichnet, so befeuern sie den Waffengang jenseits ihrer Grenzen. Der Dritte im Bund, Kanzler Merz, schaffte den Abschwung in die Unglaubwürdigkeit am schnellsten und benötigt als Tünche offenbar einen bellizistischen Komparativ. In der gefakten Drohkulisse russischen Europa-Appetits geriert er sich als freigebiger Primus einer „Haut-den-Putin“-Verbindung, die sich – ist sie sich des unehrenhaften Kampfbegriffs aus dem Irak-Krieg bewusst? – „Koalition der Willigen“ nennt.
Die gibt vor, im Namen Europas zu sprechen und Werte zu verteidigen, deren Geltung im Lebensalltag ihrer Völker flüchtig sind. Dass sie ihre Denkgrenzen fantasielos in einer Vergangenheit zieht, in der sie sich als Siegerin der Geschichte wähnte, und nun die Neujustierung der Weltachsen verschnarcht, wird auf dem Globus als selbst verursachter Bedeutungsverlust bestaunt. Kaum bedauert, denn der alte Kontinent, so meint man in einer sich neu sortierenden Welt, sollte mehr zu bieten haben als mit der Lunte am Pulverfass sein altes Vorherrschaftsdenken anzupreisen. Auch wird man die Binnenrisse nicht übersehen, denn beim Rupfen ihrer Staatsfinanzen ist die Willigkeit unter den EU-Mitgliedsländern divers. Ungarn, die Slowakei und Spanien scheren schon mal aus. Weiß der Kanzler eigentlich, was seine Flucht ins außenpolitische Abenteuer dem deutschen Volk an Kriegs- und Nachkriegskosten auferlegen wird?
Nach kapitalistischer Logik hat Trump in der Ukraine alles richtig gemacht. Er hat den Krieg nicht gezündet, aber an ihm verdient. Auch der Frieden wird sich rechnen. In Rüstungsdollars, Rohstoffen und Schwarzerde. Noch ehe diese desaströsen Tribute fällig wurden, wäre es 2022 in Istanbul möglich gewesen, den durch den NATO-Drang nach Osten provozierten Ukraine-Krieg zu beenden. Selenski hätte dem ungekämmten Londoner Emissär die Tür weisen müssen. Aber er kuschte. Fortan verweigerte der Westen jede diplomatische Eindämmung des Blutvergießens und setzte auf den illusorischen Sieg seiner Waffen. Aber die Zeiten ändern sich. Drei Viertel der ukrainischen Bevölkerung haben Selenskis Kriegskurs satt und Trump, der sein Land aus Bidens Schulterschluss mit Kiew lösen will, eröffnete die für einen Frieden unerlässlichen Gesprächskanäle zur russischen Führung. Plötzlich saßen die selbsternannten europäischen Klassenbesten auf den Schulbänken des Weißen Hauses und fassten es nicht, dass man ihnen außer Zöllen noch einen Frieden diktieren wollte.
Nicht zuletzt die zügellose Finanzierung Kiews und die ruinöse Aufrüstungsspirale (5 Prozent des BIP) lassen den Westen ökonomisch empfindlich schwächeln, während die leistungsfähigsten fünf BRICS-Saaten heute die stärkste und dynamischste Gruppe der globalen Weltwirtschaft darstellen. Das ist einer aktuellen Studie der Weltbank zu entnehmen, die zugleich Deutschland, einst Exportweltmeister und Nummer 3 unter den Industrienationen, nun hinter Russland auf Platz 5 einordnete. Das Statistische Bundesamt teilte im August mit, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,3 Prozent geschrumpft ist. Die Stimmung bleibt angeschlagen. Die hohen Energiekosten, durch ideologisch verblendete Abkopplung vom russischen Markt hervorgerufen, gelten als eine wesentliche Ursache der sich verschärfenden Rezession.
Die Wirtschaftsmalaise vertieft die bestehenden sozialen Verwerfungen. Sozialabbau wird immer mehr Bürger vor scharfe Existenzfragen stellen. Der Zukunft ist das Rätsel aufgegeben, wie die unfassbar hohen Schulden jemals getilgt werden sollen. Diese Regierung wird lernen müssen, dass man Waffen nicht essen kann und dass Wehrertüchtigungslektionen an den Schulen die PISA-verbriefte deutsche Bildungsmisere nicht lösen. „Bild“ meldete neulich, der Bundestag suche Yogalehrer gegen den Stress. Vielleicht suchten wir uns lieber eine bessere Regierung.