Gewerkschaftstag der GEW im Zeichen der Schuldenbremse

Marode Schulen und fehlendes Personal

Von Klaus Stein

In Freiburg trafen sich vom 6. bis 10. Mai die Delegierten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu ihrem 28. Gewerkschaftstag. Unter dem Motto: „Bildung. Weiter denken!“ berieten sie über die bildungspolitischen Positionen der GEW für die nächsten vier Jahre, aber auch über Tarifpolitik, in der sich die GEW angesichts der veränderten Beschäftigungsstruktur immer wirksamer zu bewegen versteht.

Der Anteil von Angestellten in Schulen und Bildungseinrichtungen wächst ebenso wie der prekär Beschäftigten. Zum Jahreswechsel 2015/16 zählte die Gewerkschaft insgesamt 280 678 Mitglieder, davon mehr als zwei Drittel Frauen (71,6 Prozent). Wegen des hohen Anteils der 56- bis 65-Jährigen (27,6 Prozent) droht mittelfristig ein Mitgliederrückgang. Unterdessen hat sich aber die Mitgliederzahl erhöht, allein 2015 um 3,1 Prozent im Zuge der beiden großen Tarifrunden im Länderbereich sowie im Sozial- und Erziehungsdienst.

„Solidarität ist unsere Kraft: Weltweit für Frieden und Gerechtigkeit“ – unter diesem Titel beschloss der Gewerkschaftstag: „Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Kriege, Terror, Hass und Vertreibung haben die größte Flüchtlingskatastrophe seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst. Reaktionäre Kräfte schüren Rassismus, Sexismus und Antisemitismus und spielen mit den Zukunftsängsten der Menschen, um gegen Minderheiten zu hetzen, Gesellschaften zu spalten und soziale Errungenschaften zu schleifen. Die Europäische Union droht auseinanderzubrechen. Arbeitslosigkeit und Armut haben auf unserem Kontinent in einem Ausmaß zugenommen, wie es vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war. Auf Druck der deutschen Regierung wurde eine Sparpolitik mit verheerenden Folgen forciert …

GEW beklagt Lehrermangel

„In den meisten Bundesländern können schon heute viele ausgeschriebene Stellen nicht mehr mit voll ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. Die Folgen sind dramatisch: Gesellschaftlich wichtige Projekte wie der Ausbau der Ganztagsbetreuung, die Weiterentwicklung der Inklusion, die Integration Geflüchteter und der Anschluss an das digitale Zeitalter werden gefährdet. Und: Die Mangelsituation geht auf die Knochen der Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen“, sagt die wiedergewählte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Vor allem sei eine Ausweitung der Ausbildungskapazitäten für Grundschullehrkräfte fällig.

Eine weitere Herausforderung für die GEW sei die „Bildung in der Migrationsgesellschaft“. „Bildung ist ein Menschenrecht. Es darf weder vom Aufenthaltsstatus, der Dauer eines Asylverfahrens oder der individuellen Bleibeperspektive abhängig gemacht werden.“ Das Recht auf Schulbesuch für Geflüchtete und Asylsuchende sei in Schulgesetzen und -verordnungen zu verankern. Es müsse gesichert werden, dass die Schulpflicht vom ersten Tag an bzw. schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen greifen könne.

Die Inklusion drohe zu scheitern. „Es werden zu wenig Gelder, zu wenig Personal und Zeit sowie wissenschaftliche Begleitung des Inklusionsprozesses bereit gestellt. Letztlich fehlt es am politischen Willen, inklusive Bildung und damit die verbrieften Menschenrechte umzusetzen.“ Die GEW wolle, so Tepe, das Parallelsystem von Förder- bzw. Sonderschulen und allgemeinen Schulen schrittweise aufheben. Dazu seien zusätzliches Personal für kleinere Klassen, aber auch entsprechende räumliche Rahmenbedingungen nötig.

Zu wenig Geld für Bildung

Im Rechenschaftsbericht waren marode Schulen, fehlendes Personal in Kitas und Schulen, prekäre Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen und in der Weiterbildung beklagt worden. Mit den gegenwärtigen Finanzierungsgrundlagen aber ließen sich weder qualitative Verbesserungen im Bildungswesen erreichen, noch Verbesserungen der Einkommens- und Arbeitsbedingungen und schon gar nicht die Anforderungen der Politik, was Bildung alles leisten soll, erfüllen. Auf nahezu jede Forderung komme die Antwort: Dafür ist kein Geld da! Sorry, wir müssen die Schuldenbremse einhalten!

Bertelsmann kommt im Bericht nicht vor. Häufig wird von Inklusion und Gleichstellung, auch von prekärer Beschäftigung gesprochen, aber nur einmal von Selektion. Als Ziel wird genannt: eine demokratische, inklusive, soziale und wirtschaftlich prosperierende Gesellschaft. Die GEW ist entschlossen, sich für dieses Ziel im Rahmen von Bündnissen in die Auseinandersetzung um die Finanzpolitik einzumischen.

Unmittelbar vor Beginn des Gewerkschaftstages hatte der Landtag von Baden-Württemberg die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Bildungsausländerinnen und Ausländer sowie für das Zweitstudium beschlossen. So war beim Grußwort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Protestaktionen gegen die Campus-Maut fällig. Und die Delegierten verabschiedeten den Dringlichkeitsantrag „Keine Studiengebühren für Niemand! Gegen die Studiengebühren in Baden-Württemberg“.

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"Marode Schulen und fehlendes Personal", UZ vom 19. Mai 2017



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