Zur Einstufung der LGBT-Bewegung durch Russland als extremistisch

Nicht gegen Personen gerichtet

Kolumne von Gert Ewen Ungar

Der Oberste Gerichtshof Russlands hat am 30. November aufgrund einer Verwaltungsklage des Justizministeriums die internationale LGBT-Bewegung als extremistisch eingestuft. Damit ist die LGBT-Bewegung in Russland verboten. Russischen Bürgern ist die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung der LGBT-Bewegung nun untersagt. Ihre Aktivitäten in Russland seien geeignet, den sozialen Frieden zu zerstören, heißt es in der Begründung des Justizministeriums für die Klage. Das Gericht folgte im Wesentlichen der Begründung.

Fakt ist, dass die LGBT-Bewegung sich in den vergangenen Dekaden immer weiter von ihrem ursprünglichen Anliegen entfernt hat. Das war der Kampf für Gleichberechtigung und Anerkennung von Lesben und vor allem Schwulen in der Gesellschaft. Inzwischen wurde sie in vielen westlichen Ländern zu einem staatlich finanzierten Tool der Bevormundung und Gängelung, dient darüber hinaus dem „Werteexport“ in andere Länder.

Im Namen von LGBT wird die Breite des Diskursraums eingeengt und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten legitimiert. Dabei ist es völlig unwichtig, welche konkrete Rechtssituation in den betreffenden Ländern herrscht.

Portraet Ungar - Nicht gegen Personen gerichtet - LGBT, Russland - Internationales
Gert Ewen Ungar

Homosexualität ist in Russland nicht verboten. Es wird ihr nur ein anderer gesellschaftlicher Stellenwert beigemessen. Schon das ist den aggressiven Agitatoren der LGBT-Bewegung ein Dorn im Auge. Nicht erst seit gestern. Russland muss die westliche Sicht übernehmen, machte beispielsweise Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich, der sich mehrfach medienwirksam auf nicht genehmigten Demonstrationen in Russland festnehmen ließ. Organisiert wurden diese Demonstrationen unter anderem vom LGBT-Netzwerk in Sankt Petersburg, das wiederum vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, LSVD, unterstützt wurde, zu dessen Gründern Volker Beck zählt.

Es ging damals in den Jahren 2004 bis 2009 um die Durchsetzung von Gay-Prides nach westlichem und deutschem Vorbild in Russland. Vom Anti-Gay-Propaganda-Gesetz oder einer Reglementierung der LGBT-Bewegung war damals in Russland noch nicht die Rede. Die westliche Einflussnahme hat den gesellschaftlichen Widerstand dagegen allerdings deutlich erhöht. Politiker wie Volker Beck haben der Sache daher mehr geschadet als genutzt, denn damit war für die russische Gesellschaft klar, das LGBT-Thema wird durch den Westen zur Einmischung gegen russische Interessen benutzt.

Anders sieht es auf Seiten der NATO aus, die das LGBT-Thema für sich nutzbar machte. Dort inkludierte man das Thema. So twitterte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Jahr 2017 anlässlich des Tags gegen Homophobie: „LGBT-Personen verdienen Würde, Inklusion und Freiheit vor Angst. Diversität macht unsere offenen Gesellschaften stärker und sicherer.“

Die NATO sei der Diversität und Inklusion verpflichtet, liest man auf der Website. „Diese Werte machen uns stärker und sicherer.“ Die Militärallianz erweiterte sich um einen LGBT-Flügel – nicht um des Friedens, sondern um der Einmischung willen.

Westliche LGBT-Organisationen wie der LSVD sind ihrem zivilgesellschaftlichen Ursprung längst entwachsen. Sie werden seit Jahren staatlich finanziert. Ihre Vertreter sind demokratisch nicht legitimiert. Sie haben sich selbst zur Interessenvertretung ermächtigt. Ob sie tatsächlich die Interessen von Schwulen und Lesben vertreten, ist zumindest fragwürdig, wie am Beispiel Volker Becks und seines Russland-Engagements deutlich wird.

Inzwischen handelt es sich bei LGBT-Organisation im Ausland, die vom westlichen Ausland finanziert werden, de facto um NATO-Vorfeldorganisationen zur Einflussnahme und Einmischung. Sie sind kooptiert.
Vor diesem Hintergrund hat das Verbot in Russland seine Berechtigung. Die vom Westen finanzierten und unterstützten LGBT-Organisationen dienen einer neokolonialen, neoimperialistischen Agenda. Sie erfüllen im Fall Russlands einen die Gesellschaft spaltenden Auftrag und dienen der antirussischen Propaganda.

Wichtig ist zu verstehen, dass sich das Verbot der LGBT-Bewegung nicht gegen Personen richtet. Homosexualität und Transsexualität sind in Russland weiterhin nicht verboten. Putin sagte im Gegenteil am Tag der Urteilsverkündung, LGBT-Personen seien Teil der Gesellschaft.

In einem Beitrag für die russische Tageszeitung RBK beantworteten russische Kanzleien die Frage, welche Auswirkungen das Verbot haben wird. Die Antwort lautet: Das ist im Moment nicht klar. Man müsse erst abwarten, wie der Richterspruch konkret umgesetzt wird. Es ist zu erwarten, dass mit dem Westen assoziierte Symbole wie die Regenbogenflagge verboten werden. Queere russische Organisationen haben bereits begonnen, ihre Logos umzugestalten und Referenzen auf die westliche LGBT-Bewegung zu entfernen.

In Deutschland schlägt man in gewohnter Weise Alarm. Deutsche Medien wiederholen die Propaganda, die sie schon zu anderen Gelegenheiten gegen Russland aufgefahren haben und sprechen von offener Repression gegen Homosexuelle.

Am Freitag vor einer Woche fanden in Moskau in drei queeren Clubs Drogenrazzien statt. Im deutschen Mainstream wurden die Informationen vermischt und ein Zusammenhang mit dem LGBT-Verbot suggeriert, der sich nicht belegen lässt. Man behauptete, die Razzien seien Beweis für eine neue Repressionswelle. Dabei gab es faktisch bisher noch keine einzige Repressionswelle. Es gibt in jeder größeren russischen Stadt eine queere Infrastruktur, queere Clubs, Gruppen und Vereine. Der größte queere Club in Europa, Central Station, steht nach wie vor in Moskau. Diese Informationen werden in deutschen Medien aus gutem Grund unterschlagen, denn daran würde deutlich, dass Russland sich nicht im Kampf mit homosexuellen Menschen befindet. Russland kämpft gegen die Geiselnahme von Schwulen und Lesben durch vom Westen finanzierte LGBT-Organisationen mit dem Ziel der Einmischung in Russlands Angelegenheiten.

Vielleicht noch als Nachsatz: Wer sich in Deutschland unter Schwulen und Lesben umhört, wird schnell feststellen, dass viele von ihnen der Vereinnahmung durch LGBT-Organisationen, Politik und Medien längst überdrüssig sind, denn die LGBT-Bewegung gilt auch ihnen längst als extremistisch.

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"Nicht gegen Personen gerichtet", UZ vom 15. Dezember 2023



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