Politischer Sieg für bekannte Palästina-Aktivistin in Berlin

Richter mit Hochachtung

Am vergangenen Mittwoch ist die Palästina-Aktivistin Yasemin Acar von dem Vorwurf freigesprochen worden, ein Kennzeichen der Hamas öffentlich verbreitet zu haben. Dabei ging es wieder einmal um die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Diese wird in Deutschland bereits seit Jahren durch Medien und Politik kriminalisiert. Im November 2023 erklärte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Slogan kurzerhand zu einem Symbol sowohl der Hamas als auch von Samidoun. Da beide Organisationen zugleich vom Bundesinnenministerium (BMI) für illegal erklärt wurden, ging es darum, den Ausspruch per Exekutivakt zum Kennzeichen in Deutschland fortan verbotener Organisationen zu machen.

Die meisten Gerichte spielen dieses schmutzige Spiel nicht mit. Den Anfang machte das Landgericht Mannheim im Mai 2024. Der Vorsitzende Richter erklärte kurzerhand, die Einstufung der Parole durch das Innenministerium sei schlicht eine Meinungsäußerung dieser Institution, an die er als Richter nicht gebunden sei und mit der er auch nicht übereinstimme. Diesem wegweisenden Urteil folgten zahlreiche Freisprüche und Einstellungen mit gleichen oder ähnlichen Begründungen. Auch das Amtsgericht befand im Fall Acars, dass die Parole von einer „internationalen und heterogenen Protestbewegung“ genutzt werde. Dabei stützte sich der Richter wiederum auf einen Beschluss des Landgerichts Berlin vom April 2025.

Obwohl die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten den meisten Urteilen der letzten Jahre in ähnlichen Fällen entspricht, bekam der Fall einige mediale Aufmerksamkeit. Ein Grund dürften die neuen Töne sein, die nach 22 Monaten Genozid und weltweiten Protesten sowie dem für die nächsten Tage und Wochen zu erwartenden Hungertod Tausender Menschen in Gaza nun auch in Deutschland zu vernehmen sind.

Allerdings dürfte auch die Angeklagte selbst ein Grund gewesen sein. Acar gehört als Influencerin zu den bekannteren Einzelpersonen der Palästina-Solidaritätsbewegung. Seit mehr als anderthalb Jahren dokumentiert und kommentiert sie regelmäßig die Lage im Gaza-Streifen und in Deutschland. Im Juni dieses Jahres nahm sie zudem auf dem Schiff „Madleen“ an der Gaza-Flotilla teil, die die israelische Seeblockade friedlich durchbrechen und Hilfsgüter nach Gaza bringen wollte. Der Richter sprach Acar seine „Hochachtung für Ihren Einsatz“ aus und sagte zu ihr: „Sie sprechen sicherlich einigen Leuten aus der Seele.“

Acar erklärte nach dem Prozess vor dem Gerichtsgebäude: „Ich sehe mich heute nicht als Angeklagte, sondern als Klägerin. Ich klage ein System an, das Menschen entrechtet, das DemonstrantInnen kriminalisiert, das Menschen in Gaza kaltblütig ermorden lässt und gleichzeitig hier über Meinungsfreiheit doziert.“ Sie machte deutlich, dass es bei aller Repression und Gewalt, die die Palästina-Solidaritätsbewegung in Deutschland erlebe, immer um Gaza und um Palästina gehe. Und sie forderte Sanktionen gegen Israel, ein Ende der deutschen Waffenlieferungen und „dass jene, die diese tödlichen Geschäfte ermöglichen, von PolitikerInnen über Rüstungskonzerne bis hin zu JournalistInnen endlich zur Rechenschaft gezogen werden“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit