… nur nicht beim Verteidigungshaushalt

Schäuble will Sparkurs fortsetzen

Von Nina Hager

Am Montag wurde der Bundesfinanzminister groß gefeiert. Schäuble beging seinen 75. Geburtstag und hohe Gäste gratulierten. Angela Merkel betonte seine Verdienste und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, Schäuble sorge dafür, dass man in Europa „in eine Richtung“ marschiere. Dafür, sowie für die „Schwarze Null“ im Bundeshaushalt, will der Jubilar auch künftig sorgen. Die „FAZ“ schrieb dazu am Montag: „Wenn ihm nicht ein Koalitionspartner das Amt noch streitig macht, wird es wohl so kommen. Fast achtzig Jahre alt wäre er dann am Ende der Amtsperiode ….“

Schäuble, der bereits seit 45 Jahren im Bundestag sitzt, stellt sich am kommenden Sonntag erneut zur Wahl. Seit acht Jahren ist er Bundesfinanzminister. Geht es nach ihm, wird er auch in Europa weiter die Richtung mit vorgeben. Der Politiker gilt, wie die „FAZ“ schrieb, südeuropäischen Politikern und angelsächsischen Ökonomen „als der Mann, der in der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung halb Europa zum Sparen gezwungen und ganze Länder ins Elend gestürzt hat, als der stets angefeindete Verfechter einer ‚Austeritätspolitik“„. Dieser Kurs soll fortgesetzt werden. Erst im Mai hatte Schäuble beispielsweise Sigmar Gabriels Forderungen nach Schuldenerleichterungen für Griechenland zurückgewiesen. Nun erklärte er am 6. September in seiner Rede auf der Handelsblatt-Tagung „Banken im Umbruch“ mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen: „…den Bankern und allen anderen Bürgern versprechen wir, dass wir eine Politik fortsetzen wollen, die einen guten Rahmen für eine nachhaltig wachsende Wirtschaft setzt. Eine Politik, die dafür sorgt, dass Deutschland im europäischen Verbund handlungsfähig bleibt.“ Das bedeutet, dass auch der rigorose Sparkurs im eigenen Land fortgesetzt wird:

Ende Juni beschloss das Bundeskabinett, also auch mit den Stimmen der SPD-Minister, den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2018 und den Finanzplan bis 2021. In einer Pressemitteilung des Bundesfinanzminiserums hieß es dazu ganz im Sinne Schäubles: „In jedem Jahr des Finanzplans kann auf die Aufnahme neuer Schulden verzichtet werden. Die Ausgaben im Bundeshaushalt steigen bis 2021 moderat an: von 329,1 Mrd. Euro im Jahr 2017 auf voraussichtlich 356,8 Mrd. Euro im Jahr 2021. Insbesondere die zukunfts- und wachstumsorientierten Ausgaben im Bundeshaushalt werden weiter erhöht.“

Auf den ersten Blick scheint noch (fast) alles in Ordnung, Denn die Bundesregierung will nicht nur die Ausgaben für Bildung, Familien, Gesundheit, sondern auch für Soziales und die Integration von Flüchtlingen im kommenden Jahr kräftig anheben. Der Etat von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) erhöht sich dem Entwurf zufolge um fast neun Milliarden Euro, die angeblich vor allem für Hartz-IV und für die in ihrem Bereich angesiedelten Leistungen zur Integration von Flüchtlingen ausgegeben werden sollen. Das klingt nicht schlecht. Nur was kommt tatsächlich bei den Betroffenen an?

Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, hat nachgeschaut. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte sie, dass nicht mehr, sondern weniger Geld für die Förderung von Jobsuchern im Hartz-IV-System vorgesehen ist. „Union und SPD versprechen Langzeitarbeitslosen ein Füllhorn an Unterstützung, aber in Wirklichkeit regiert bei ihnen der Rotstift.“ Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sieht bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik Kürzungen von 258 Millionen Euro gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr vor. Bei den Verwaltungskosten für die staatliche Grundsicherung (Hartz IV) seien 2018 noch 4,55 Milliarden Euro vorgesehen. 2016 wurden aber etwa 5,13 Milliarden Euro ausgegeben. Hunderte Millionen wurden in den vergangenen Jahren aus dem Topf für die Förderung und Qualifizierung von Arbeitslosen herausgenommen, um steigende Ausgaben in den Jobcentern für Personal, Gebäude oder Energie auszugleichen. Und das wird sich wohl nicht ändern.

Auch für die Renten soll mehr ausgegeben werden. Die Bundeszuschüsse sollen steigen. 2015 waren dies 85,7 Milliarden Euro, bis 2020 wird die 100-Milliarden-Euro-Marke erreicht. Für Schäuble ist das offensichtlich zu viel, denn in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ schloss er jüngst und wieder einmal auch eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht aus. Sollte – wie die Unionsparteien es vorsehen – nach der Wahl eine Rentenkommission eingesetzt werden, „sollte diese über alle relevanten Fragen nachdenken dürfen“. Also auch über die weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

Zwar soll es im kommenden Jahr zusätzliches Geld auch für den Ausbau von Breitbandnetzen geben sowie für Wirtschafts- und Innovationsförderung im Bereich Mikroelektronik und Digitalisierung. Am deutlichsten aber wächst der Verteidigungsetat. Von der Leyen erhält 38,5 Mrd. Euro für die „äußere Sicherheit“. Der Verteidigungshaushalt (die in den anderen Bereichen versteckten Ausgaben nicht eingerechnet) wuchs laut Etatentwurf für 2017 auf 36,6 Milliarden Euro, sieben Prozent mehr als 2016. Im kommenden Jahr sollen im Vergleich zu 2017 noch einmal 1,6 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden. Mit dem von der Bundesregierung im Juni 2017 beschlossenen Entwurf zum Bundeshaushalt 2018 und zum Finanzplan bis 2021 steigen die Ausgaben des betreffenden Einzelplans auf 42,4 Milliarden Euro im Jahr 2021.

Gesine Lötzsch (MdB, Partei „Die Linke“), Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages schrieb am 15. August auf „Facebook“: „Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2018 liegt vor. Ich hoffe, dass er nie beschlossen wird. Die Bundesregierung darf den Rüstungsunternehmen nicht noch mehr Geld in den Rachen werfen. Mehr Sicherheit gibt es nur durch mehr soziale Gerechtigkeit. Wenn die SPD sich jetzt öffentlich gegen zu hohe Rüstungsausgaben ausspricht, sollte sie mal nachlesen, was sie zusammen mit CDU und CSU beschlossen hat.“

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Schäuble will Sparkurs fortsetzen", UZ vom 22. September 2017



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