Nicaraguanische Regierung weist Putschplan der Opposition zurück

Stillstand im Dialog

Von Enrique Herrera, Managua

Die innenpolitische Krise in Nicaragua verschärft sich, weil die Opposition auf der Absetzung aller Regierungs- und Staatsorgane besteht. „Alle ihre Forderungen laufen auf einen Putsch hinaus“, erklärte der Vertreter der FSLN-Regierung, Außenminister Dennis Moncada, beim Nationalen Dialog mit der Opposition. Zu ihr gehören Vertreter des Unternehmerverbands COSEP, die von ihm protegierte Studentenorganisation „19. April“, die (angeblich) Sandinistische Erneuerungsbewegung MRS, Unternehmerverbände, ethnische Interessengruppen, Rechtsliberale, Konservative, eine Anti-Kanal-Organisation und eine autonome Frauen-Organisation.

Die als Vermittler angerufene Bischofskonferenz setzte den Dialog aus, nachdem in der vorletzten Maiwoche kein Konsens zwischen Regierung und Opposition erreicht worden war. Es wurde eine Sechser-Kommission beider Seiten zur Überwindung des Stillstands eingesetzt. Straßenblockaden verursachen Versorgungsengpässe, mehr Arbeitslosigkeit und den Bankrott von kleinen Gewerbetreibenden.

Die Menschenrechtskommission CIDH der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) übte in einem Untersuchungsbericht harte Kritik an der Regierung wegen der Gewaltanwendung gegen Demonstranten und verlangte Aufklärung. Es seien seit dem 18. April in fünf Wochen 78 Menschen getötet und 868 verletzt worden. 438 Personen seien verhaftet und viele misshandelt worden. Der CIDH-Bericht sagt allerdings nicht, zu welcher Konfliktseite die Opfer gehörten und erwähnt auch nicht die Gewaltanwendung der oppositionellen Kräfte, denen Menschen zum Opfer fielen, was den Bischöfen ebenfalls keine Erwähnung wert war. Beide sind als Hardliner und Demagogen bekannt. Auf Seiten der FSLN werden inszenierte Selbst-Attentate der Opposition befürchtet, die zum Bürgerkrieg führen könnten.

Der OAS-Generalsekretär Almagro kritisierte in einer Video-Botschaft die „Lügen der politischen Opposition in Nicaragua“, die der OAS Nachgiebigkeit gegenüber der Regierung Ortega vorwarf. Aber „eine Lösung kann es nur durch verfassungsgemäße allgemeine Wahlen ohne Ausgrenzung geben“, so Almagro.

Patricia ist im ersten Jahr FSLN-Stadtverordnete in Managua. Seit 24 Jahren macht sie ehrenamtliche kommunalpolitische Arbeit in ihrem Wohngebiet. „Ich habe mich um jugendliche Bandenmitglieder gekümmert, um sie aus der Kriminalität zu holen. Ihre Zahl hatte unter den rechten Regierungen seit 1990 stark zugenommen“, sagte sie gegenüber der UZ. „Unsere FSLN-Regierung hat ab 2007 freie Berufsbildungskurse eingerichtet und ich habe Jugendliche ohne Schulabschluss dafür geworben und mit Essen unterstützt. Deshalb respektieren mich einige Bandenmitglieder. Aber nun bekomme ich Morddrohungen. Vorher blieben die Banden in ihren Wohnvierteln unter sich, jetzt vereinen sie sich mit anderen.“ Die Besetzer der privaten Universität UPOLI in Patricias Wohngebiet erlaubten nicht einmal sympathisierenden Journalisten eine Besichtigung. In diesem Hauptquartier der Bewegung „19. April“ werden Waffenarsenale und Anführer krimineller Banden vermutet. Von dort ging u. a. die Entführung von sieben Bussen sowie die wiederholte Brandstiftung am Bezirksbüro der FSLN und dem kommunalen Bezirksamt aus.

Der drogenabhängige Gelegenheitsdieb Jorge berichtete der UZ begeistert von seiner Unterstützung der UPOLI-Besetzer: „Ich wechsle mich mit denen beim Mörserschießen ab und sie geben mir was zu essen. Allerdings haben die Anführer bessere Sachen, Marihuana, und trinken Rum.“ Jorge genoss offenbar seine unerwartete neue Wichtigkeit. Ein Kumpan freute sich: „Es kommt keine Polizei ins Viertel, toll! Wir können koksen so viel wir wollen!“ Bisher galt Nicaragua als ein Damm gegen die Ausdehnung von Jugendbanden in Honduras, El Salvador und Guatemala in den Süden Zentralamerikas. Sie sind Teil des organisierten Verbrechens und Drogenhandels. „Wir sehen uns bekannte Bandenmitglieder an den Straßensperren“, berichtet Patricia. „Manchmal bekommen sie dafür Geld von Leuten im Hintergrund. Bei einem Sturz der FSLN-Regierung würden die Jugendbanden und der Drogenhandel massiv zunehmen.“

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"Stillstand im Dialog", UZ vom 1. Juni 2018



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